Politisch seinWie wir in Parteien mitmachen können
Politisches Engagement? Daria Rauschelbach und Nicolas Dinkel haben sich dafür entschieden – sie für die CDU, er für Die Linke. Benjamin Höhne ist Parteienforscher und blickt analytisch auf die aktuelle Politisierung und die Motive des Parteinachwuchses.
Während die anderen Slogans gesprüht und Sticker geklebt haben, ist Daria Rauschelbach mit 14 in die Junge Union eingetreten. Sie hat zuerst mit ihrem Vater gesprochen und ihre Wahl dann auch aufgrund des Parteiprogramms der Christdemokraten getroffen. Richtig aktiv ist sie etwa seit dem 17. Lebensjahr. Heute ist die 20-Jährige CDU-Parteimitglied. In Jena ist sie in den Kreisvorstand und in Thüringen in den Landesvorstand gewählt worden.
Die Wahlniederlage des CDU-Landrats Jürgen Köpper gegen den AfD-Politiker Robert Sesselmann im Juni 2023 hat sie frustriert und motiviert zugleich. Sie wünscht sich für Thüringen demokratiefreundliche Leute in Machtpositionen. Robert Sesselmann ist bundesweit der erste Landrat, den die AfD stellt (Stand: 29.02.2024).
"Ich sitze in Jena im Kreisvorstand als Beisitzerin und auch im Landesvorstand."
Daria plant und besucht Veranstaltungen, arbeitet für Social Media und bereitet den Landtagswahlkampf ihrer Partei vor. Wöchentlich sind es momentan 15 bis 20 Stunden, die sie mit diesen politischen Aufgaben zubringt.
Dreifachwahlkampf in Thüringen
Am 01.09.2024 wird in Thüringen ein neues Parlament gewählt, außerdem sind Europa- und Kommunalwahlen. Nach einer Insa-Umfrage vom 17.01.2024 könnte die AfD 31 Prozent, die CDU 20 Prozent, das Bündnis Sahra Wagenknecht 17 Prozent, die Linke 15 Prozent und die SPD 6 Prozent erreichen.
Wegen des intensiven Wahlkampfs hat sich Daria das Jahr nach dem Abitur für ihre politische Arbeit freigehalten – und den Beginn beispielsweise eines Studiums erstmal noch aufgeschoben.
"Ich habe mir freigenommen, weil ich ganz gerne im Wahlkampf sehr aktiv mit dabei sein würde."
Berufspolitikerin möchte sie nicht werden, auf kommunaler Ebene mitzuwirken, kann sie sich aber schon vorstellen. Wer an politischer Arbeit interessiert ist, dem empfiehlt sie den Weg über die Jugendorganisationen der Parteien. Man könne aber auch bei einem Jugendparlament mitmachen oder sich über die Kirche engagieren.
Eintrittsgrund AfD
Auch das politische Engagement von Nicolas Dinkel hat mit der AfD zu tun. Zum ersten Mal, sagt er, sieht er die Demokratie in Gefahr. Die Bedrohlichkeit der AfD habe er bereits vor mehr als einem Jahrzehnt erkannt. Er ist in die Partei Die Linke eingetreten und möchte dort mehr tun, als nur zahlendes Mitglied zu sein.
"Warum nicht eigentlich jetzt? Der Zeitpunkt ist halt wirklich da."
Angeregt zum Parteieintritt hat ihn auch der Politiker und Schauspieler Björn Harras (Die Linke). Jetzt muss Nicolas sich erstmal in einer Partei zurechtfinden, die nach dem Austritt von Sahra Wagenknecht im Umbruch ist. "Generell bin ich sehr motiviert, das auch längerfristig zu machen", sagt er.
Viele von denen, die jetzt in eine Partei eintreten, werden tendenziell schnell das Handtuch werfen, nimmt Benjamin Höhne an. Für den Parteienforscher ist klar: Das Engagement in einer Partei ist ein sehr besonderes – ganz anders etwa, als zu einer Demo zu gehen beispielsweise.
Seismograph und Vermittler
Parteien hätten eine Seismographenfunktion und vermittelten zwischen Staat und Bevölkerung. "Der richtig gute Transfer, der findet über die Parteimitglieder statt", sagt er. Grundsätzlich attestiert er allen Parteien Erneuerungs- und Diversifizierungsbedarf.
"Per se ist es immer gut, wenn Menschen sich in den Parteien engagieren, weil Parteien die Gesellschaft mit der staatlichen Sphäre verknüpfen."
Auch wenn momentan verschiedene Parteien stolz Neueintritte verkünden – die AfD, Die Linke und Bündnis 90 / Die Grünen beispielsweise – eine Bilanz liegt Benjamin Höhne stets erst zum Jahresende vor. Er weist darauf hin, dass Wahljahre immer auch Modernisierungsjahre sind. Und dass wir in sehr polarisierten Zeiten leben.
Warum momentan viele in eine Partei eintreten
Drei Faktoren tragen potentiell besonders zur Bereitschaft bei, einer Partei beizutreten, sagt Benjamin Höhne:
- stärkere Präsenz der Parteien wegen vieler Wahltermine im Jahr 2024
- die aufrüttelnde Correctiv-Recherche und in der Folge...
- die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus
Für Höhne geht von den anhaltenden Demonstrationen ein deutliches "Signal gegen Rechts" aus. Die typische rechtspopulistische Argumentation breche damit ein bisschen zusammen: Der Rechtspopulismus habe behauptet, er sei das Sprachrohr der Bevölkerung. Wir hätten allerdings gesehen, dass die Zivilgesellschaft, die dagegen demonstriert hat, sehr viel größer war, erklärt der Parteienforscher.
"Wenn man auf kommunaler Ebene in eine Partei eintritt, hat man viele Möglichkeiten, relativ schnell auch Verantwortung zu übernehmen."
Wer sich über das Demonstrieren hinaus engagieren wolle, könne in kommunaler Parteiarbeit eine dankbare und im Ergebnis auch verantwortungsvolle Aufgabe finden, ist Benjamin Höhne überzeugt.