Reform des BundestagsPolitologe: "Ein perfektes Wahlsystem kann es nicht geben"
Die Verkleinerung des Bundestags ist das Ziel, nicht die Repräsentanz von Minderheiten oder geschlechtliche Parität. Für den Politologen Thorsten Faas gehören Zielkonflikte zur Reform des Wahlrechts dazu. Heute hat das Parlament darüber entschieden.
Über die Reform des Wahlrechts ist ausgiebig gestritten worden. Heute hat der Bundestag dem Entwurf der Ampel-Koalition zugestimmt. An erster Stelle steht das Ziel, dass der Bundestag kleiner wird. Das zieht Zielkonflikte nach sich, erklärt der Politologie Thorsten Faas. Er lehrt Politologie am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin und sagt: "Einen Preis gibt das einfach immer, weil es ein perfektes Wahlsystem nicht geben kann."
"Wahlsysteme sind nicht neutrale Elemente, die überhaupt keine Konsequenzen haben, sondern das Ergebnis von Aushandlungsprozessen."
Drei Kritikpunkte an der Wahlrechtsreform sind kurz vor ihrer Verabschiedung noch diskutiert worden:
- Was ist mit der Geschlechterparität im Bundestag?
- Wie steht es um die Minderheitenrepräsentation im Bundestag?
- Ist es akzeptabel, dass künftig nicht mehr jeder Wahlkreises durch eine gewählte Person repräsentiert wird?
Thorsten Faas weist darauf hin, dass die hinteren Listenplätze der Parteien in Zukunft eher seltener zum Zug kommen werden. Weil beispielsweise Frauen, junge Menschen und People of Colour tendenziell eher auf diesen hinteren Listenplätzen der Parteien aufgestellt sind, werden sie voraussichtlich eher seltener einen Sitz im Bundestag bekommen.
Parteien in der Verantwortung
Das zu ändern, liege in der Verantwortung der Parteien und sei beim Anliegen der Reform nachrangig gewesen.
"Die Parteien sind dafür verantwortlich, wen sie eigentlich wo aufstellen und natürlich könnten sie all diese Gruppen auch weiter vorne auf den Listen zukünftig platzieren."
Geschlechterparität in Parlamenten lasse sich gesetzlich organisieren – in Frankreich ist es so.
Gesetzesvorhaben zur Geschlechterparität
In Deutschland sind vergleichbare Gesetzesvorhaben aber bislang gestoppt worden. "Es gab auch auf der Ebene von Bundesländern Versuche, Paritätsgesetze auf den Weg zu bringen. Die sind bisher von Verfassungsgerichten für verfassungswidrig erklärt worden", sagt Thorsten Faas.
Die Gerichte haben bislang also die Wahlfreiheit der Parteien und der Wählenden in Wahlverfahren über den Wunsch nach geschlechtlicher Parität im Parlament gestellt.