Podcast "Somewhere over the Hay Bayle"Wie queeres Leben auf dem Land funktionieren kann
Fabian ist auf dem Land aufgewachsen. Sein Coming-out hat er sich aber für die Großstadt aufgehoben – erst danach hat er sich auch in seinem Dorf geoutet. Mit seinem Podcast möchte er queeren Menschen auf dem Land eine Stimme geben und ihnen Mut machen.
Wenn Fabian es genau betrachtet, dann hatte er zwei Coming-outs – eines in Berlin, nachdem er mit 18 Jahren von zu Hause ausgezogen war, und später noch eines in seinem ostdeutschen Heimatdorf.
Dass er sich in seinem Dorf später geoutet hatte, hat für ihn aus heutiger Sicht zwei Gründe: Zum einen hatte er das Gefühl, dass Homophobie und Transphobie auf dem Land "latent immer gegeben und omnipräsent sind" und es einige Leute gab, denen er nicht zugetraut hätte, entspannt mit seinem Coming-out umgehen zu können.
Zum anderen fehlten ihm die realen Bezugspersonen, mit denen er sich identifizieren und austauschen konnte. Alles, was er kannte, waren queere Personen aus dem Fernsehen – viel zu weit weg von seinem realen Alltag auf dem Land.
"Für mich war es immer ganz schwierig, weil ich das Gefühl hatte, mir fehlen so reale Bezugspersonen, mit denen ich mich identifizieren und Leute, mit denen ich mich tatsächlich über Queersein auch unterhalten kann."
In seinem Podcast "Somewhere over the Hay Bayle" trifft Fabian Schrader Menschen, die von ihrem queeren Leben auf dem Land oder in der Kleinstadt erzählen. Damit möchte er seinen Hörerinnen und Hörern vor allem Mut machen und signalisieren: Auch auf dem Land seid ihr mit eurem Queersein nicht alleine!
"Es gibt immer Leute, die einen supporten"
Denn im Nachhinein hat er auch gute Erinnerungen an sein Coming-out in seinem Dorf. Viele seiner Freunde seien sehr unterstützend gewesen und hätten sehr positiv reagiert. Für einige sei es ohnehin schon ein offenes Geheimnis gewesen, berichtet Fabian.
"Die Leute im Dorf, die ich mag und bei denen ich mich geoutet habe, haben tatsächlich sehr positiv und sehr cool reagiert."
Vor allem durch die vielen Gespräche in seinem Podcast hat Fabian festgestellt, dass die Menschen mit ihrem Queersein auch auf dem Land selten alleine waren.
Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass Fabian nicht die einzige queere Person in seinem Dorf war. Zudem hätten sich auch viele heterosexuelle und cis-geschlechtliche Personen solidarisch mit ihm gezeigt.
"Alle Leute, die ich bisher interviewt habe, die waren auch nie alleine – auch wenn sie sich wie die einzige queere Person im Landkreis gefühlt haben."
Auch wenn er es heute besser wisse, fände er es legitim, erstmal Schutzmechanismen zu haben und skeptisch zu sein. Denn im Endeffekt habe man in einem Dorf auch nur diesen einen bestimmten Freundinnnen- und Freundeskreis, mit dem man klar kommen und den man in jungen Jahren erstmal nicht aufs Spiel setzen möchte.
Alle haben ihre eigene Geschichte
Tatsächlich gebe es einige Menschen, die sich auch auf dem Land schon früh geoutet und viel Unterstützung von Familie und Freunde bekommen hätten. Deshalb seien sie letzlich ein Leben lang in ihrem Dorf geblieben.
Eine Geschichte, die Fabian besonders hängen geblieben ist, ist die von Christian, einem Transmann aus Treuenbrietzen in Brandenburg. Seine Einstellung: "Das ist mein Weg, wer ihn mit mir gehen will, geht ihn mit mir und wer nicht, der nicht." Fabian sei sehr beeindruckt von Christians Standfestigkeit gewesen.
Vor allem, da Christian bei der freiwilligen Feuerwehr arbeitet und diese für Fabian immer ein Ort voll von "Hyper-Maskulinität" gewesen sei, den er unbedingt meiden wollte. Für Christian war es dagegen sein soziales Netzwerk, es war der Ort, an dem er sich über Jahre ein gewisses Renommee aufgebaut habe und in dem er so unterstützt werde, wie er eben sei, berichtet Fabian.
Auf dem Land tut sich einiges
Christians Geschichte hat Fabian auch zum Denken angeregt, da sie die Frage aufgeworfen habe, welche Strukturen und queere Räume es auf dem Land brauche, damit sich queere Menschen sicher outen und leben könnten. Eine Antwort habe er darauf noch nicht gefunden. Allgemein werfe sein Podcast mehr Fragen als Antworten auf, aber genau das findet Christian so großartig daran und das sporne ihn an, immer mehr Geschichten von queeren Menschen hör- und sichtbar zu machen.
"Queere Menschen sind nicht immer sichtbar. Aber es gibt uns in jedem Ort."
Was er allerdings jetzt schon feststellen kann: Es tut sich einiges auf dem Land. Das könne im ganz Kleinen beginnen, indem Menschen Infomaterial auslegten oder sich als Ansprechperson anböten. Aber auch immer mehr Christopher-Street-Days, Projekte wie die Schule der Vielfalt, die über queeres Leben aufklären, oder mobile Beratungsangebote seien auch in den kleinen Städten immer häufiger anzutreffen. Und selbst Fabian ist gar nicht mal so abgeneigt davon, irgendwann wieder aufs Land zu ziehen, um sich dort für queeres Leben einzusetzen.