Post-Kolonialismus-DebattePizza Hawaii: Warum die Ananas nichts mit Hawaii zu tun haben sollte
Ein Tweet löst eine riesen Debatte über die Pizza Hawaii aus und macht vielen erst klar, warum Ananas und Hawaii eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Inwiefern das mit dem Tod von George Floyd zusammenhängt und uns über postkoloniale Symbole nachdenken lassen sollte, erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporter Stephan Beuting.
Ein Werbespot aus den 60er Jahren der Firma Dole: Zwischen Einblendungen einer Dosenananas rennen Männer in Lendenschurz mit Fackeln in der Hand einen Berg herunter. Im Hintergrund hört man hawaiianisch-anmutende Trommelklänge. Die Landschaft wirkt vulkanisch, bergig - so wie man sich Hawaii vorstellt. Am Ende hebt ein indigener Hawaiianer mit breitem Grinsen die obere Hälfte einer frischen Ananas hoch, zum Vorschein kommt: eine Dose Ananas. Die Message: fruchtig-fröhliche Exotik für jedermann.
Vielleicht hat sich der Kanadier Sam Panopolous in seiner Pizzeria in Ottawa 1962 von solchen Werbespots wie dem der "Dole Pineapple" inspirieren lassen, als er Dosen-Ananas und Schinken und Pizza und Hawaii kombinierte und die Pizza Hawaii erfand.
Bisher war nicht der Name der Pizza, sondern eher die verrückte geschmackliche Kombination Auslöser vieler Diskussionen. Doch nach dem Tod von George Floyd hat ein Umdenken begonnen und auch die Pizza Hawaii hat einen bitteren Beigeschmack bekommen: Denn für die Hawaiianer stellt die Ananas ein Symbol für koloniale und postkoloniale Ausbeutung dar, die sich bis heute fortsetzt, sagt Stephan Beuting.
Ananas: Ein Symbol des Post-Kolonialismus
Auslöser dieser Debatte war unter anderem ein Tweet des Twitter-Users Lala, der forderte, man solle endlich aufhören, das Land Hawaii mit der Frucht Ananas in Verbindung zu bringen. Sein Großvater arbeitete auf einer Ananas-Plantage als Kind, schreibt Lala weiter. Die Ananas und ihre Verbindungen zu Hawaii seien eine direkte Folge der Kolonialisierung das Landes. Man solle endlich aufhören, die Unterdrückung seiner Kultur zu ignorieren.
Unter dem Tweet landeten verständnislose Kommentare von Usern, die keinen Zusammenhang zwischen Hawaii und Ananas sahen und zugaben, noch nie darüber nachgedacht zu haben. Andere Userinnen, genau genommen 26.000 andere, likten den Beitrag. Zusätzlich wurde er 7000 mal retweetet.
Die Sicht der weißen Eroberer
Auch Gary Okihiro, Professor am Centre for the study of ethnicity and race an der Columbia University of New York sieht es kritisch, wenn die Ananas als speziell "Hawaiianisch" verkauft wird. Denn damit würde sich heute noch genau die Sichtweise verkaufen, die die weißen Eroberer damals hatten.
Die Ananas kommt aus Amerika
Die Geschichte, die der Twitter-User Lala anspricht, hat sogar direkt etwas mit dem Werbespot der "Dole Pineapple" zu tun. Denn James Dole gründete 1901 die "Hawaiian Pineapple Company". Im großen Stil wurden daraufhin Ananas-Plantagen auf Hawaii aufgebaut und führten zu einer wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte – und zu einer Geschichte der Enteignung und Ausbeutung der indigenen Bevölkerung. Genau dieser Firma gehörte auch die Insel, von der die Familie von LaLa stammt. Ihr Spitzname: Pineapple Island.
Und dabei ist die Heimat der Ananas gar nicht Hawaii, sondern Amerika. Die Frucht ist nicht einmal Teil der traditionellen Küche Hawaiis, erklärt Stephan Beuting.
"Die Ananas gehört ursprünglich gar nicht nach Hawai’i, und sie ist auch nicht Bestandteil der traditionellen Hawaiianischen Küche."
Zuhören und lernen
Das Reflektieren der eigenen Gedanken über postkoloniale Symbole und Strukturen hat an vielen Orten gerade erst begonnen, sagt Stephan Beuting. Für viele ist das erste Gefühl bei Debatten wie dieser: Ablehnung. Was soll eine Ananas mit dem Tod von George Floyd zu tun haben?
"Das erweiterte Nachdenken über postkoloniale Symbole und Strukturen hat vielerorts gerade erst begonnen."
Vor allem denjenigen von uns, die schon immer in Europa gelebt haben und weder selbst noch in der Familie Ausbeutung durch Kolonialmächte erfahren haben, fällt es manchmal schwer, die Zusammenhänge zu erkennen. Oft hilft es, mit denen zu reden, die es direkt oder indirekt erlebt haben, zuhören und lernen, sagt Stephan Beuting.