Philosophin Ariadne von SchirachWarum wir Insta-Poesie ernst nehmen sollten
Zwischen Strandbildern und Memes sind Instagram-Feeds inzwischen voll von nachdenklicher Lyrik in Schreibmaschinen-Ästhetik. Philosophin und Schriftstellerin Ariadne von Schirach erklärt, warum diese Zweizeiler ständig von Carpe-Diem-Lebensweisheiten handeln und wieso wir die Insta-Poesie vielleicht etwas mehr ernst nehmen sollten.
"Nicht jeder trägt einen Panzer, aber wir alle besitzen ein Herz." Solche Sprüche und weitere Zweizeiler fluten gerade alle Instagram-Feeds. Insta-Poesie ist ziemlich erfolgreich – egal wie kitschig, plump und einfältig sie sein mag.
Die Schriftstellerin und Philosophin Ariadne von Schirach hält Gedichte "für eine der ausgefeiltesten Kunstformen" und schreibt auch selbst welche: Jeden Wochentag veröffentlicht sie ein paar Zeilen über das Wetter – auf Twitter. Das tut die Kulturkritikerin schon seit knapp zehn Jahren.
"Wenn du ein Gedicht darüber schreiben musst, hat auch ein grauer Tag viele Facetten."
Die Kürze und das Banale an dieser Form stört Ariadne von Schirach dabei überhaupt nicht – schließlich sei ein Haiku, die japanische Gedichtform, auch auf eine gewisse Silbenzahl beschränkt. "Etwas auf den Punkt zu bringen, ist viel schwerer, als drumherum zu kreisen", ergänzt die Schriftstellerin.
Kalendersprüche wiederholen sich, weil sie aktuell bleiben
Wenn wir aber zum hundertsten Mal eine Weisheit über Carpe Diem oder Selbstliebe lesen, klingt das trotzdem plump.
Das sei so, erklärt Ariadne von Schirach, weil sich besonders Menschen in der westlichen Welt seit Jahrtausenden damit beschäftigen – da würde sich einiges eben wiederholen. Es müsse schließlich nicht alles trivial sein, was kurz ist.
Poesie bezeichnet Ariadne als ein "Ringen um den eigenen Ausdruck", deswegen sei auch jeder kurze, noch so einfache Zweizeiler berechtigt, wenn der Verfasser oder die Verfasserin damit zufrieden ist.
"Wir leben in einer Zeit, wo die Besinnung aufs Wesentliche nicht nur in der Poesie, sondern auch im Leben notwendig ist."
Als Poetin würde sich Ariadne übrigens selbst nicht bezeichnen: "Meine Gedichte sind wirklich von solider Mittelmäßigkeit – bestenfalls!"