Philosoph Matthias Burchardt"Steuerhinterziehung ist asozial"
Steuern? Eigentlich müssten wir sagen: Ja klar, die sind ja für uns alle. Stattdessen wollen wir möglichst wenig Steuern zahlen und nichts abgeben. Warum nur?
Seit Montag berichten Medien über die Paradise Papers. Die Veröffentlichungen zeigen uns unter anderem, dass Superreiche, Politiker und Konzerne wie Apple oder Nike alles tun, um möglichst wenig Steuern zu zahlen. Das, was da passiert, ist nicht illegal aber moralisch fragwürdig, sagt der Philosoph Matthias Burchardt.
Was sind unsere Reaktionen auf die Paradise Papers? Verzichten wir auf das nächste Smartphone oder auf die neuen Sneakers? Nein, irgendwie nicht. Aber warum nur, haben wir uns gefragt. Matthias Burchardt sagt: "Zum einen sind die Leute etwas gedankenlos und gleichgültig, weil sie das Gefühl haben, sie können sowieso nichts machen. Zum anderen kann ich es auch etwas verstehen, weil wir etwas zu unserem schlechten Gewissen, zu unserem Problem machen, was eigentlich anderweitig verursacht ist."
Boykott ist auch keine Lösung
Wenn man es genau nimmt, werden wir sogar zum doppelten Opfer, sagt der Philosoph Matthias Burchardt: Erstens entziehen diejenigen, die ihr Geld in Steueroasen parken, unserem Gemeinwesen Geld und zweitens sollen wir jetzt auch noch ein schlechtes Gewissen haben und uns empören. Burchardt findet, dass an dieser Stelle unser Konsumentenverhalten überfordert wird.
"Ich glaube, das gehört auf den Schauplatz der Politik. Die müssten die Gesetzeslücken schließen. Und unsere Aufgabe wäre jetzt nicht Konsumverzicht, sondern politisches Engagement."
An dieser Stelle sieht der Philosoph noch einen ganz anderen Punkt: Wenn der Kunde jemanden für etwas abstrafen soll, was auf der Grundlage von Gesetzeslücken geschieht, dann werde an dieser Stelle ein eigentlich politisches Problem auf einen ökonomischen Schauplatz verlegt.
"Wir müssten unseren Volksvertretern jetzt eigentlich klar machen: Hört mal zu, das darf doch eigentlich nicht sein."
Vielleicht sollten wir uns aber auch erst einmal an die eigene Nase fassen, wenn wir über Steuern reden. Manch einer hat vielleicht schon mal ein Auge zugedrückt, wenn es um die Genauigkeit der eigenen Steuererklärung ging. Und müssten wir da nicht auch ein schlechtes Gewissen haben? Matthias Burchardt sagt: Ja, aber der Maßstab sei eben doch ein ganz anderer. Laut Süddeutscher Zeitung gehe es bei den Paradise Papers nämlich um Summen, mit denen die Weltbevölkerung 60 Jahre lang ernährt werden könnte.
"Ja, ich finde das auch problematisch, wenn man es in privatem Rahmen macht, wobei der Maßstab natürlich ein anderer ist."
Wozu bezahlen wir eigentlich Steuern?
- Steuern dienen der Organisation des Gemeinwesens – Infrastruktur, Schulen, Krankenhäuser, Straßen oder Verwaltung
- Institutionen, wie zum Beispiel Schulen und Universitäten ermöglichen es uns wiederum, Wissen zu sammeln, einen Beruf zu erlernen und am Ende Geld damit zu verdienen und eventuell sogar reich zu werden
"Es ist aber auch meine Pflicht gegenüber dem Gemeinwesen, das mir selber sehr viel geschenkt hat, dass ich etwas zurückgebe, indem ich jetzt Steuern zahle."
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Es gibt Leute, die sagen: 'Mir ist das egal mit dem Gemeinwohl, ich will mein Geld verdienen und den größtmöglichen Nutzen für mich rausschlagen.' Matthias Burchardt kann dem Argument nichts abgewinnen. Er sagt: "Das ist asozial. Das ist von der Haltung her ethisch nicht zu rechtfertigen. Selbst aus einer utilitaristischen Perspektive, wenn es um den Nutzen geht, muss ich ja anerkennen, dass es nur möglich ist, weil mir die Gemeinschaft auch etwas gegeben hat."
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