PhilosophieHegel in Fünf-Minuten-Häppchen
Was hat Widerspruch mit Freiheit und Gurkenschneiden zu tun? Im philosophischen System von Georg Wilhelm Friedrich Hegel hängt alles mit allem zusammen: Geist mit Bewusstsein, Widerspruch mit Wahrheit, Freiheit mit Vernunft.
Wer sich mit dem Werk von Georg Wilhelm Friedrich Hegel befassen möchte, muss erst einmal diese Frage für sich beantworten: Wo soll man da denn anfangen? Die Antwort kann ganz einfach sein: bei den Lieblingssätzen. Diesen Ansatz hat das Philosophische Institut der Humboldt-Universität zu Berlin gewählt.
"Wer denkt abstrakt? Der ungebildete Mensch, nicht der gebildete."
In diesem Jahr ist Hegels 250. Geburtstag. 13 Jahre lang war der Philosoph an der Humboldt-Universität zu Berlin Professor, Dekan und Rektor. Gebührend wollte man das Geburtstagskind deshalb feiern.
Hegels Geburtstagsfeier fand dieses Jahr online statt
Ursprünglich ganz klassisch, eine große Konferenz war geplant, mit Vorträgen, Diskussionsrunden und Stehempfang. Die Corona-Pandemie hat dem einen Strich durch die Rechnung gemacht. Stattdessen ist ein großartiges Online-Projekt entstanden mit dem Titel "5-Minuten-Hegel".
"'Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit' - Würde Hegel heute noch dasselbe sagen? Gerade jetzt von Freiheit und Fortschritt zu reden, scheint ironisch zu sein. Viele Freiheiten, die selbstverständlich waren, sind einfach weg. Wer hätte sich vor einem Jahr vorstellen können, dass die Welt von einem unsichtbaren Virus praktisch lahmgelegt werden kann?"
Hegel für alle - in verdaulichen Häppchen
Die Universität hat Hegel-Forscherinnen und Hegel-Experten aus der ganzen Welt gebeten, ihren Lieblingssatz oder ihre Lieblingspassage von Hegel vorzulesen und zu begründen, warum sie diese Stelle so spannend, interessant oder wichtig finden.
"Hegel zufolge muss jede Person in ihrem unendlichen Wert und in ihrer unendlichen Berechtigung respektiert werden. Wir müssen von allen natürlichen und kulturellen Differenzen, von Alter, Hautfarbe, Geschlecht, ethischer, religiöser oder nationaler Zugehörigkeit absehen. In heutiger politischer Sprache: das universelle Antidiskriminierungsprinzip."
Einzige Bedingungen: Es darf nicht länger als fünf Minuten sein und auch Menschen, die keine Hegel-Kenner sind, müssen es verstehen können.
Die Mini-Vorträge, die im Rahmen dieses Projekts entstanden sind, zeigen, wie aktuell Hegel immer noch ist: Warum brauchen wir Widerspruchsgeist, wenn uns Wahrheit lieb ist? Darf man einen verurteilten Mörder attraktiv finden? Es geht um Freiheit in Hongkong, um Menschenrechte und Antidiskriminierung und warum wir beim Gemüseschneiden lernen können, was Hegel mit dem sich negierenden Geist meint.
"Wenn ich eine Gurke durchschneide, empfinde ich keinen Schmerz. Wenn ich mir dabei aber aus Versehen in meinen Finger schneide und sozusagen meine Fingerkuppe negiere, dann empfinde ich sehr wohl Schmerz. Nach Hegel ist der Schmerz ein wesentlicher Modus, in dem der Geist sich dessen bewusst wird, dass er identisch ist mit dem, was er negiert."
Wir senden die folgenden Kurzvorträge:
Freiheit. Chong-Fuk Lau, The Chinese University of Hongkong
Menschenwürde. Klaus Vieweg, Universität Jena
Naturzustand. Thomas Meyer, Humboldt-Universität zu Berlin
Recht. Tatjana Sheplyakova, Goethe-Universität Frankfurt a. M.
Abstraktion. Jakub Kloc-Konkołowicz, Universität Warschau
Dialektik. Elena Ficara, Universität Potsdam
Geist. Julia Peters, Eberhard Karls Universität Tübingen
Selbstbewusstsein. Thomas Khurana, Universität Potsdam
Versöhnung. Ulrich Schlösser, Eberhard Karls Universität Tübingen