Marketingtrend mit BeigeschmackMarkennamen auf Bierflaschen sind ein Problem
Immer mehr Brauereien nutzen individualisierte Bierflaschen, die das Logo oder den Namen der Brauerei tragen. Das ist ein Problem: Für die Umwelt, weil die Transportwege dadurch länger werden. Und für kleinere Brauereien, die weiterhin auf die Standardflaschen angewiesen sind.
Für eine ganze Palette braucht er keine zwei Minuten: Rhythmisch wie ein Roboter greift ein Arbeiter mit kräftigen Armen jeweils zwei Bierkästen von einer Palette und wuchtet sie auf ein Rollband. Zack, zack, zack - Knochenarbeit. Viele Unternehmen haben dafür vollautomatische Anlagen. Hier, in einem Getränkegroßhandel in Dormagen, wird noch per Hand sortiert. Während die Kästen die Bahn entlang rollen, greifen die Sortierer zu.
Deutsche Arbeiter finden sich für diese Arbeit kaum. Die meisten hier kommen als Zeitarbeiter aus Litauen. Zehn Stunden am Tag stehen sie in der offenen Blechhalle.
"Die Arbeit ist schwer. Im Sommer ist es warm, im Winter kalt. Am Anfang geht es sehr auf den Rücken und die Arme, aber man gewöhnt sich mit den Jahren daran."
Das Sortieren wird immer komplizierter. Mittlerweile gibt es mehr als 100 verschiedene Flaschenarten – und es werden immer mehr. Neben der Standard-NRW-Flasche haben sich Flaschendesigner die elegante Longneckbottle ausgedacht, die kompakte Stubbiflasche oder die exklusive Stabgranate.
Manche Flaschen haben eine besondere Beschichtung gegen UV-Licht, andere nicht. Und immer mehr Brauereien verzieren ihre Flaschen zusätzlich mit dem eigenen Logo, um sich von der Konkurrenz abzusetzen. 2013 waren schon 15 Prozent aller Bierflaschen Individualflaschen. Seitdem sind es noch deutlich mehr geworden. Und alle müssen wieder zurück in ihre Kästen.
Für Arkadi und seine Kolleginnen und Kollegen sichert das ihre Arbeit. Aber nicht alle sind von dem Marketingtrend begeistert. Denn die individuellen Flaschen bedeuten mehr logistischen Aufwand.
Sind Individualflaschen schlechter für die Umwelt?
Die individuellen Flaschen legen längere Transportwege zurück. Bei den Standardflaschen löst sich beim Ausspülen das Etikett und sie können wieder befüllt werden – egal, von welcher Brauerei. Die Individualflaschen dagegen müssen genau in die Brauereien zurück, aus der sie kommen.
Je weiter die Flaschen gefahren werden, desto mehr Abgase entstehen beim Transport. Getränkeläden und Logistikunternehmen brauchen mehr Fläche, um die unterschiedlichen Kästen und Flaschen zu sortieren und zu lagern.
Individualflaschen landen häufiger im Altglas
Außerdem werden die individuellen Flaschen auch nicht so häufig wieder befüllt wie die Standardflaschen. Weil die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass sie irgendwo landen, von wo sich der Rücktransport nicht mehr lohnt.
Die Beratungsfirma Deloitte schreibt in einer Studie von 2013, dass die am weitesten verbreitete NRW-Flasche im Schnitt 42-mal wieder befüllt wird. Die verschiedenen Halbliter-Individualflaschen schaffen dagegen zwischen 20 und 38 Umläufen. Danach werden die Flaschen zwar als Altglas recycelt – sie einfach wieder aufzufüllen wäre aber deutlich umweltfreundlicher.
Allerdings ist das Problem nicht so gravierend, wie man meinen könnte, sagen Fachleute. Zum einen weil es die entsprechende Logistik zum Transport der Flaschen bereits gibt. Die Kästen, in denen die Flaschen stehen, sind schon seit Langem individualisiert. Die Laster mit Leergut fahren also ohnehin bereits durch ganz Deutschland. Zum anderen unterscheiden sich die Geschmäcker in Deutschland regional sehr. Brauereien verkaufen ihr Bier also hauptsächlich in der Nähe.
Mehrwegflaschen weiterhin am umweltfreundlichsten
Trotzdem dienen die Individualflaschen Mehrweggegnern als Argument.
Welche Getränkeverpackung am umweltfreundlichsten ist, bleibt umstritten. Das liegt zum Beispiel daran, dass es nicht möglich ist, genau festzustellen, wie häufig eine Flasche tatsächlich wieder befüllt wird. Manche Ökobilanzen rechnen mit einer dreimaligen Wiederbefüllung. Andere gehen davon aus, dass eine Flasche bis zu einhundert Mal wiederverwendet wird.
Dazu kommt, dass eine Reihe von Studien von der Verpackungsindustrie in Auftrag gegeben wurden und dementsprechend mit Vorsicht zu bewerten sind.
"Die Debatte um Individualflaschen wird in erster Linie von der Dosenindustrie losgetreten. Die hoffen, dadurch ihr Image aufbessern zu können."
Die meisten Studien kommen aber trotz der individualisierten Bierflaschen zu dem Ergebnis: Mehrwegflaschen sind besser als alle Wegwerfverpackungen - also Dosen, Flaschen aus Einwegplastik oder Tetrapacks.
Kleinere Brauereien unter Druck
Größere Probleme als der Umwelt bereiten Individualflaschen anderen Brauereien: Mit den individuellen Flaschen setzen die großen Brauereien die kleineren unter Druck.
Bisher beruhte das Mehrwegsystem auf der Solidarität der Brauereien. Alle kaufen regelmäßig neue Flaschen, die dann von allen anderen mit benutzt werden. Doch in Deutschland wird immer weniger Bier verkauft, die Konkurrenz auf dem Biermarkt wächst. Einige der Großbrauereien wollen deswegen nicht mehr mit ihren Flaschen die kleineren Konkurrenzbetriebe unterstützen.
Für die wird es immer schwieriger, genug „normale“ Flaschen zu finden, auf denen kein Markenname von irgendeiner Konkurrenzbrauerei im Glas eingeprägt ist. Das kostet Geld und Zeit. Ein Braumeister einer mittelgroßen Brauerei berichtet sogar, dass sie manchmal die Produktion stoppen müssen, bis sie das Leergut sortiert haben.