ParteitagBraucht es die Linke noch?
Die Linke ist in der Krise: In Umfragen sieht es mit dem Wiedereinzug in den Bundestag bei der nächsten Wahl nicht gut aus. Beim Bundesparteitag will sie sich neu aufstellen. Aber braucht überhaupt noch irgendwer die Linke?
Die Vorsitzenden der Linkspartei, Janine Wissler und Martin Schirdewan kündigten im August ihren Rückzug an. Aktuell würde es Die Linke nicht mal in den Bundestag schaffen, sie würde an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Dazu kommen zuletzt katastrophale Wahlergebnisse bei der Europawahl und auch bei den Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern, in denen die Partei früher sehr stark war.
"Wir müssen daran besser werden, wieder unsere Themen nach vorne zu stellen."
Nun soll mit Ines Schwerter jemand an die Spitze der Partei gewählt werden, die erst seit einem Jahr Mitglied ist. Zur Krise ihrer Partei sagt die 35-Jährige: "Wir haben es auch einfach schwer, mit unseren Punkten durchzudringen, aber – das muss man auch selbstkritisch sagen – wir müssen die Menschen überzeugen, dass wir wieder eine Alternative sind für sie und dass es eigentlich um die soziale Politik in diesem Land geht."
Politikwissenschaftlerin: Die Linke hat keine Kernkompetenz mehr
Deshalb will Schwerter, sagt sie, an den Haustüren im Land klopfen und mit den Menschen ins Gespräch über ihre Probleme kommen. "Wir überlegen dann, welche Themen sich häufen und für die machen wir dann eine Kampagne", so Schwerter über ihre Pläne, "weil das ist das, was immer passiert in Bundestagswahlkämpfen. Es gibt dann nur noch ein, zwei Themen, über die gesprochen wird, die alles andere beherrschen, aber nicht die Alltagssorgen der Menschen."
"Ich fände es gut, wenn die Menschen am Ende dieses Bundestagswahljahres wieder wissen, wofür die Linke steht."
Doch die Linke hat dabei ein Problem. In der Vergangenheit ist ihr ihre Kernkompetenz soziale Gerechtigkeit immer mehr verloren gegangen, so die Politikwissenschaftlerin Sarah Wagner. "Für potenzielle Wählerinnen und Wähler ist die Linke sehr profillos und man weiß gar nicht, wofür sie so richtig steht", sagt sie. "Der Linken fehlen vor allem sehr klare Kernbotschaften, um Menschen zu mobilisieren."
Schwerter glaubt, dass es Jahre dauern wird, das wieder hinzubekommen. Trotzdem will sie darauf hinarbeiten, dass die Wähler*innen in diesem Land bald wieder wissen, welche konkreten Forderungen die Partei hat und wofür sie steht. "Die Linke steht 2024 für Frieden und soziale Gerechtigkeit", sagt die Politikerin.
Politikwissenschaftlerin: Wähler*innen nehmen Partei als gespalten wahr
Doch Wagner diagnostiziert der Partei mehr als ein reines Marketingproblem. Die Linke ist tief gespalten – auch nach dem Abgang von Sarah Wagenknecht –, besonders in den Themen Migration, Rüstungsexporte und Israel, so die Politikwissenschaftlerin. "Das Problem dabei ist, dass wenn eine Partei als gespalten wahrgenommen wird, dann fragen sich natürlich Wählerinnen und Wähler, warum sie für diese Partei stimmen sollten, weil sie wissen ja auch gar nicht am Ende des Tages, was sind denn wirklich die Haltungen, bei denen ich da mein Kreuzchen mache?", sagt Sarah Wagner.
Wenn die Partei wieder relevant werden will, dann muss sie auch über die Themen sprechen, die gesellschaftlich gerade relevant sind, so Wagner. "Die Linken müssen sich auch bei Themen klar positionieren, die unangenehm sind", erklärt sie. "Wenn gerade die wahlentscheidenden Themen Friedenssicherung, soziale Sicherheit, Zuwanderung oder auch Wirtschaftswachstum lauten, dann kann die Partei nicht über ganz andere Themen reden, weil sie eben nicht über Wirtschaftswachstum reden möchte."