ParteienLinks der Mitte konkurrieren SPD und Grüne
So nah waren sich SPD und die Grünen noch nie: Nur zwei Prozentpunkte trennen die beiden in der Wählergunst links der Mitte, um die die beiden Parteien jetzt konkurrieren.
Was links der Mitte ist, richtet sich danach, was wir unter politisch links oder rechts verstehen, sagt die Politikwissenschaftlerin Maria Thürk. Dieses Empfinden unterliege einem stetigen Wandel.
Früher spalteten sozio-ökonomische Faktoren
Sozio-ökonomische Faktoren haben dieses Empfinden vor allem in der Nachkriegszeit bestimmt. Grundlegende Frage war: Wie viel Umverteilung wollen die Parteien? Rechts der Mitte standen die Parteien, die weniger Einkommen versteuern wollten und die Unterschiede von Individuen stärker betont haben. Links der Mitte standen die Parteien, die mehr umverteilen wollten und für die die Gleichheit der Menschen zentral war, erklärt die Politikwissenschaftlerin von der HU Berlin.
Heutzutage würden materielle Faktoren weniger eine Rolle spielen, sagt Maria Thürk. Es gehe mehr um Einstellungsfragen zu Umweltschutz, Migration oder Asylpolitik.
"Wir erinnern uns noch an die 90er oder 2000er Jahre, als die SPD noch 40 Prozent der Stimmen bei Wahlen gewinnen konnte und Gerhard Schröder mit seiner Basta-Politik die Grünen ganz klar im Griff hatte."
Im Gegensatz zu den 1990er- und 2000er-Jahren, in denen die SPD noch mit rund 40 Prozent Wählerzustimmung rechnen konnte, liegen inzwischen SPD und Bündnis90/Die Grünen fast gleich auf bei 17 und 15 Prozent Zustimmung. Das liege daran, dass die Grünen es bei den Themen Umweltschutz, Migration oder Asylpolitik schafften, eine klare und kohärente Parteilinie anzubieten, sagt die Politikwissenschaftlerin. Gerade linksliberale Wähler und Wählerinnen fühlten sich vom Politikangebot der Grünen angesprochen.
Allerdings hätten es rechte Parteien innerhalb dieser neuen Politikdimension, bei der es um Einstellungsfragen gehe, leichter, sich kohärent zu präsentieren, weil die rechten Wähler und Wählerinnen wertkonservativ seien.
Mehr linksliberal oder linksautoritär?
Die linke Wählerschaft spalte sich dagegen stark auf, wenn es um die Richtungsentscheidung eher liberale oder eher autoritäre Werte gehe. "Genau hier liegt das Hauptproblem der SPD, die, egal wie sie sich positioniert", einen Teil der Wähler vergraule. "Entweder ein bisschen mehr autoritär, dann schreien die liberalen Wähler und Wählerinnen, oder ein bisschen mehr liberal, dann schreien die autoritären Wähler", sagt Maria Thürk.
Zum einen ändert sich die Dimension, was als links oder rechts gilt, aber auch die Themen innerhalb von links und rechts.
"Bestimmte Forderungen, die vor 20 Jahren noch klassisch links waren, zum Beispiel die Einführung des Mindestlohns oder keine Atomkraft mehr, sind mittlerweile komplett in der Mitte der Gesellschaft angekommen."
Was früher einmal eindeutig linke Themen waren, seien jetzt in der Mitte der Gesellschaft angekommen, sagt die Politikwissenschaftlerin. Deshalb müsste links der Mitte eine neue Definition oder Ausdifferenzierung erfahren wie linksliberal oder linskautoritär. "Aber wer bezeichnet sich schon gern als autoritär?", fragt Maria Thürk.
Auffällig sei auch, dass obwohl wir seit der Nachkriegszeit "rechte Mehrheiten" im Parlament haben, sich die meisten Wähler als links der Mitte einstufen.
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