Neues GesetzWarum Portugal die aktive Sterbehilfe erlaubt
Voraussichtlich ab Herbst soll auch in Portugal gelten, was nur in wenigen EU-Ländern erlaubt ist: aktive Sterbehilfe. Nur Erwachsene und nur in Portugal lebende Menschen dürfen dieses Recht dann - unter bestimmten Voraussetzungen - in Anspruch nehmen.
In den meisten europäischen Ländern ist die aktiven Sterbehilfe unter Strafe gestellt, bei uns in Deutschland droht zum Beispiel ein Freiheitsentzug von bis zu fünf Jahren. In Belgien, den Niederlanden, Luxemburg, Schweiz und Spanien ist das dagegen anders – und jetzt auch in Portugal.
Jahrelange emotionale Debatte
Das neue Gesetz, das am 12. Mai mit einer Mehrheit von 129 zu 81 Stimmen angenommen wurde, ist bereits der fünfte Entwurf, den die Abgeordneten der "Assembleia da República" in Lissabon verabschiedet haben.
Die vier ersten scheiterten entweder am Veto von Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa oder an Einwänden des Verfassungsgerichts. Nach über drei Jahre langen politischen Auseinandersetzungen hat Rebelo de Sousa die letzte Version des Gesetzes jedoch am 16. Mai unterzeichnet. Ab Herbst 2023 soll sie gelten.
Präsident durfte kein Veto mehr einlegen
Portugals Präsident hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er die legale Sterbehilfe ablehnt. Das sei mit ihm selbst nicht vereinbar, so der praktizierende Katholik. Dieses Mal konnte er aber schlicht und ergreifend kein Veto mehr einlegen, erklärt Korrespondentin Franka Welz.
Die Verfassung sieht vor, dass ein präsidiales Veto ausgeschlossen ist, wenn mehr als 116 Abgeordnete für ein Gesetz stimmen. 129 haben das beim neuen Entwurf für die aktive Sterbehilfe getan – Rebelo de Sousa ist also seiner verfassungsgemäß vorgeschriebenen Pflicht nachgekommen.
"Es wurde schon sehr, sehr, sehr genau geregelt, wer das überhaupt in Anspruch nehmen darf – nämlich nur Menschen ab 18, die 'unter anhaltenden und unerträglichen Schmerzen' leiden."
Nur volljährige Menschen, die "unter anhaltenden und unerträglichen Schmerzen" leiden, dürfen die aktive Sterbehilfe in Anspruch nehmen. Außerdem darf nichts gegen den Willen der Betroffenen geschehen – die Sterbenskranken müssen also geistig noch dazu in der Lage sein, die Entscheidung für sich selbst zu treffen. Missbrauch ist strafbar.
Die Regelung gilt ausschließlich für Portugiesinnen und Portugiesen, die ihren dauerhaften Wohnsitz in Portugal haben. Ausländer können also nicht nach Portugal reisen, um dort die Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen. Solche Fälle gibt es zum Beispiel in der Schweiz, in der Nicht-Schweizer Sterbehilfe erhalten.
Kirche verliert immer mehr an Einfluss
Portugal ist ein katholisch geprägtes Land, die Sterbehilfe ist ein heikles Thema. In Spanien ist das ähnlich – doch auch dort ist die aktive Sterbehilfe seit 2021 erlaubt. In beiden Ländern verliert die Kirche seit Jahren an Einfluss. Trotzdem habe es seitens der Kirche einen lauten Aufschrei und Klagen gegen das Gesetz gegeben, berichtet Franka Welz. Die konservative Opposition will vor das Verfassungsgericht ziehen.
Die Menschen in Portugal selbst sähen das Ganze wesentlich gelassener als Teile der Politik und großer Institutionen, so unsere Korrespondentin. Wenn das neue Gesetz in Kraft tritt, gebe es dann ja auch keine Pflicht zur aktiven Sterbehilfe.