Orthopädie in der VeterinärmedizinDer lahmen Schildkröte Beine machen
Die Schildkröte Helmuth wiegt rund 108 Kilogramm und kann sich wegen einer Arthritis in der Schulter nicht mehr selbstständig fortbewegen. Eine besondere Gehhilfe hat die Spornschildkröte aus dem Gelsenkirchener Zoo wieder mobil gemacht.
Als Spornschildkröte Helmuth sich aufgrund seiner Arthritis selbst nicht mehr vom Boden hieven konnte, um sich fortzubewegen, hatten seine Pflegerinnen und Pfleger eine Idee. Ein Rollbrett für Helmuth musste her. Das ging schnell, war günstig und ließ sich leicht besorgen.
Der Bochumer Orthopädie-Techniker Ulrich Schade hatte die 24-jährige Spornschildkröte auf ihrem Rollbrett gesehen und war sofort davon überzeugt, dass er eine bessere Gehhilfe konstruieren könnte.
"Wir sind in den Zoo gefahren, haben uns dann die Schildkröte angeschaut, und es war schnell klar, dass wir von der Unterseite der Schildkröte einen Abdruck machen müssen."
In der Orthopädie-Technik wird zwischen Prothesen, also dem Ersatz für ein Körperteil, und einer Orthese, einer Schiene oder etwas Ähnlichem, unterschieden. Im Fall der Spornschildkröte ging es also darum, eine Orthese herzustellen.
Darauf ist Ulrich Schade zwar nicht spezialisiert, aber er hat trotzdem schon einige davon hergestellt. Um eine individuell angepasste Gehhilfe zu konstruieren, wollte der Orthopädie-Techniker zuerst einen Abdruck von der Unterseite der Spornschildkröte machen lassen. Das Tier dafür auf den Rücken zu legen, stand außer Frage, weil es viel Stress für die Schildkröte bedeutet hätte.
Stattdessen besorgte Ulrich Schade eine Motorradhebebühne. Nachdem sie etwas umgebaut worden war, gelang es damit, einen Gipsabdruck von der Unterseite der Schildkröte zu erzeugen.
Aus einem Kunststoff, der mit Kevlar, einer synthetischen Faser verstärkt ist, hat Ulrich Schade eine passgenaue Schale mit vier Rollen gebaut. Dieser Untersatz wird mit Gurten um den Körper der Schildkröte geschnallt. Und damit gelingt es dem Tier wieder, sich aus eigener Kraft fortzubewegen.
"Wenn orthopädische Hilfsmittel bei Menschen helfen, wieso dann nicht auch bei Tieren?"
Häufig sind es Kreuzbandrisse, Gelenkprobleme, Bänderschäden und Arthritis, die die Beweglichkeit von Tieren einschränken. Menschen können in solchen Fällen oft Hilfsmittel wie Krücken oder Schienen nutzen. Weil das bei Tieren nicht so einfach ist, müssen sie stattdessen eher operiert werden.
Manchmal ist es aber auch gar nicht mehr möglich, einem Tier operativ zu helfen, beispielsweise, weil es schon zu alt ist. Zudem können mit orthopädischen Hilfsmitteln wie Orthesen und Prothesen riskante Operationen vermieden werden. Multiresistente Keime, Narkose- oder Wundheilungsschäden sind nur einige der Risiken, die durch oder nach einer Operation bestehen können. Eine Orthese kann auch helfen, Schmerzen zu reduzieren oder dafür sorgen, dass diese ganz ausbleiben.
Aufgrund der Pfotenverletzung des Hundes spezialisiert
Die Orthopädietechnik, so wie es sie in der Humanmedizin gibt, wird in der Veterinärmedizin kaum angewandt. Der Orthopädie-Techniker Dieter Pfaff hat sich vor 20 Jahren eher durch einen Zufall darauf spezialisiert. Sein Hund hatte sich die Pfote verletzt und der Orthopädie-Techniker hatte die Idee, eine Pfoten-Orthese für seinen Hund zu bauen, eine Art Schuh mit einer Schiene.
Orthopädische Hilfsmittel können ein Tier-Leben lang halten
Vor allem Gelenke, Knochen, Sehnen und Bänder können gut mit den orthopädischen Hilfsmitteln behandelt werden. Dieter Pfaff hat viele Hilfsmittel für Tiere entwickelt und sagt, dass diese oft ein Tier-Leben lang halten.
Generell gilt, dass diese Art von Hilfsmitteln beispielsweise einfacher für Hunde angepasst werden können als für Katzen. Das liege daran, dass das Fell und die Haut anders beschaffen seien. Wichtig ist aber bei jedem Tier, dass das jeweilige Hilfsmittel individuell auf das Tier angepasst wird. Ist das nicht der Fall, kann das zu Schädigungen führen.
Je nach Hilfsmittel kann eine Gehhilfe für Tiere über 1.000 Euro kosten. Ein je nach Situation angemessener Preis, weil die individuelle Anpassung an das jeweilige Tier viel Planung und Arbeit bedeuten kann. Zugleich auch, weil es dem Tier eine gewisse Lebensqualität zurückgibt und dadurch aufwendige Operation meist vermieden werden können. Tier- oder OP-Versicherungen übernehmen die Kosten für Orthesen meist nicht.
Zuerst Diagnose beim Tierarzt einholen
Inzwischen gibt es ein paar Orthopädie-Technikerinnen und -Techniker mehr als noch vor ein paar Jahren. Die praktizieren zum Beispiel in den Städten Bochum, Krefeld oder Ottersberg. Allerdings ist es wichtig, zuerst eine Diagnose beim Tierarzt oder der Tierärztin einzuholen, bevor der Tierhalter oder die -Halterin einen Orthopädie-Techniker konsultiert.