Widerspruchsregelung beim OrganspendenWann man Organe spenden kann und wann nicht
Nach wie vor gibt es in Deutschland viel zu wenige Spenderorgane, um alle kranken Menschen zu versorgen, die darauf angewiesen sind. Hier alle relevanten Infos dazu, was man wissen muss.
Derzeit gibt es eine neue Initiative von einer Gruppe von Abgeordneten verschiedener Parteien im Bundestag, die sich für die Einführung der sogenannten Widerspruchsregelung einsetzen.
Diese besagt: Alle Menschen, die zu Lebzeiten der Organspende nicht widersprechen, können im Fall der Fälle Organspender werden. Die Frage ist, ob diese Maßnahme dem Mangel abhelfen wird.
Voraussetzung für Organspende: der Hirntod
Wie die Wissenschaftsautorin Martina Keller bei Deutschlandfunk Nova erläutert, ist die Voraussetzung für eine Organspende der Hirntod. Nur wenn das Gehirn des Spenders oder der Spenderin schwerstgeschädigt wird, etwa durch einen Unfall, ein Aneurysma oder einen Schlaganfall, und wenn der oder die Spenderin rechtzeitig ins Krankenhaus kommt, kann der Hirntod festgestellt werden.
Oft keine Diagnostik
Aber nicht mal bei allen Patient*innen mit schweren Hirnschädigungen wird mit der Diagnostik überhaupt begonnen, denn viele Menschen schreiben explizit in ihre Patientenverfügungen, dass die Ärzt*innen die Behandlung beenden sollen, wenn es keine Chance auf Rettung mehr gibt. Schließlich möchte kaum jemand an Geräten auf einer Intensivstation sterben.
Doch nur unter diesen Umständen kann man seine Organe spenden. Und auch ohne explizite Willensbekundung müssen Ärzt*innen eine*n Sterbende*n nicht bis zum letzten Atemzug behandeln. Wenn Therapien medizinisch keinen Sinn mehr machen, dürfen und müssen sie den Menschen sterben lassen, wobei sie Schmerzen und Leiden so gut wie möglich lindern sollen.
Identifikation potenzieller Spender*innen
In Entnahmekrankenhäusern, also jenen Spitälern, die nach ihrer räumlichen und personellen Ausstattung in der Lage sind, Organentnahmen zu ermöglichen, haben Transplantationsbeauftragte Zugang zu Intensivstationen und sollen dabei helfen, potenzielle Spender*innen zu identifizieren. Wenn die Ärzt*innen vermuten, dass ein Hirntod demnächst eintreten könnte, sollen sie nach der Richtlinie "Spendererkennung" der Bundesärztekammer ermitteln, wie der oder die Patientin zur Organspende steht.
Wenn sie stattdessen sofort die palliative Behandlung einleiten würden, könnte dies eine spätere Spende unmöglich machen. Die intensivmedizinische Weiterbehandlung – etwa mit Medikamenten und Hormonen – liegt dann aber nicht mehr unbedingt im Interesse des Patienten selbst, es sei denn, er wollte Spender werden, sondern des möglichen Organempfängers.
Medizinische Ausschlussgründe
Doch wer kann überhaupt Organe spenden? Wenn Menschen zum Beispiel an HIV erkrankt sind, oder an Tuberkulose, oder auch an nicht behandelbaren Infektionen wie Tollwut oder Creutzfeld-Jakob, ist eine Organspende ausgeschlossen. Auch bei Krebserkrankungen ist dies häufig der Fall.
Andere Leiden wie Diabetes sind grundsätzlich mit der Organspende vereinbar, es wird aber genau geprüft, welche Begleiterkrankungen damit verbunden sind.
Oft fehlt die Zustimmung
Deswegen wird nun erneut über die Widerspruchslösung diskutiert. Befürworter verweisen darauf, dass sich die Mehrzahl der Deutschen in Umfragen für die Organspende ausspricht, nur haben sie keinen Spenderausweis.
"Der Hauptgrund, warum es nicht zur Hirntoddiagnostik kommt, ist die fehlende Zustimmung des Patienten zu Lebzeiten oder stellvertretend die seiner Angehörigen."
Oberstes Prinzip einer Organspende ist die Freiwilligkeit, es gibt derzeit nach dem Gesetz keinen Anspruch auf die körperlichen Ressourcen anderer Menschen. Und dieses Prinzip der Freiwilligkeit würde zumindest nach Auffassung der Kritiker*innen durch die Widerspruchslösung unterminiert, denn diese zwingt zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterben.
"Mit Druck und moralischer Stigmatisierung gewinnt man aber die Menschen nicht für die Organspende. Dies sollten die Befürworter der Widerspruchslösung wissen."
Warum die Zahl der Spender*innen stagniert
Dass die Zahl der Spender*innen stagniert, dürfte auch mit den Skandalen zusammenhängen, die das Vertrauen der Menschen in die Transplantation erschüttert haben, etwa die Wartelistenmanipulationen, die vor gut zehn Jahren bekannt wurden. Dabei hatten unter anderem Ärzt*innen, offenbar aus Mitleid, medizinische Werte von Patient*innen so manipuliert, dass sie auf der Warteliste nach oben kletterten.
Inzwischen wird sehr viel für die Organspende getan. Krankenkassen und Hausärzt*innen sprechen das Thema regelmäßig an, die organisatorischen Abläufe wurden verbessert, die Krankenhäuser werden besser bezahlt als früher. Seit 2024 gibt es auch noch ein Online-Register, in dem Bürger*innen ihre Haltung zur Organspende hinterlegen können.