Ja oder nein?Organspende: Wie wir entscheiden und wem es hilft
Mehr als 8.000 Menschen warten in Deutschland auf ein Spenderorgan. Auch Kiara hat lange gewartet und schließlich eine Leber transplantiert bekommen. Die Spende hat ihr Leben gerettet. Lena und Sinan tragen Tattoos, um aufs Organspenden aufmerksam zu machen. Marianna überlegt noch, ob sie potenzielle Spenderin werden will.
Organspende mit 19. Dass das so kommen würde, hätte sich Kiara niemals vorstellen können. Auch wenn sie es schon seit Jahren wusste, wie es ist, mit einer Autoimmunerkrankung zu leben. Mit 16 wurde bei ihr Leberzirrhose festgestellt. Dass in ferner Zukunft einmal eine Organspende nötig sein könnte, erwähnten die Ärzt*innen von Anfang an, erzählt sie. Doch dass es nur drei Jahre später nötig werden würde, damit hatte sie nicht gerechnet.
Kiaras Leben hing von einer Organspende ab
Doch die gesundheitlichen Probleme, zum Beispiel Blutvergiftungen, häuften sich. Weil das keine guten Vorzeichen waren, beschlossen die behandelnden Ärzt*innen, Kiara "zu listen", also ihren Namen auf die Warteliste für eine Organtransplantation zu setzen. Damit war Kiara eine von über 8.000 Menschen, die in Deutschland auf ein Spenderorgan warten.
"Ich wusste nicht, wie viel Zeit ich noch habe, aber ich habe gespürt, wie mein Körper an Energie verliert."
Eine, die einmal potenzielle Organspender*innen werden könnte, ist Marianna. Noch hat sie sich nicht endgültig entschieden, ihr Einverständnis zu geben, ihre Organe im Falle eines Hirntods zu spenden. Doch auf ihrer Pro-und-Contra-Liste gibt es eigentlich mehr Argumente, die dafür sprechen, sagt sie.
"Ich finde in Deutschland sollte jeder einen Organspendeausweis haben. Egal, ob mit ja oder nein."
Wege, um potenzielle*r Organspender*in Deutschland zu werden, gibt es viele, sagt Lena, Ärztin und Ehrenamtlerin bei Junge Helden e.V., einem Verein, der junge Menschen über Organspenden informiert. Tatsächlich gibt es in Deutschland in Sachen "Ja zur Organspende" keine besonderen rechtlichen Vorgaben oder Hürden, erklärt Lena.
Eine formlose Zustimmung zur Organspende genügt
Im Grunde, sagt sie, muss nur irgendwie deutlich werden, dass die Person gewillt war, ihre Organe nach dem Ableben zu spenden. Das kann bedeuten, dass wir Angehörigen davon erzählen, einen Spenderausweis oder sogar nur einen Bierdeckel mit einer Notiz darüber im Portemonnaie tragen. Der offiziellste Weg ist, sich im Organspenderegister eintragen zu lassen.
Was auch geht, ist, sich ein entsprechendes Tattoo stechen zu lassen. Das hat sich der Verein, für den Lena tätig ist, ausgedacht. Wer dieses trägt, ist auch meistens bereit, Organe zu spenden. Vor allem aber soll es zeigen: Ich bin bereit, über das Thema zu sprechen und es zu enttabuisieren.
Lena fügt außerdem hinzu, dass nur, weil wir unsere Bereitschaft erklärt haben, ein Organ zu spenden, es nicht bedeutet, dass wir nach unserem Tod tatsächlich Spender*in werden. Im Gegenteil: Nur wer in Deutschland als hirntot diagnostiziert wird, kann als Spender*in infrage kommen. Und das sind gerade mal 1 Prozent, sagt Lena.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen mit Spendebereitschaft auch Spender*in werden, ist also gering. Das bedeutet natürlich auch, dass Menschen, die auf ein Spenderorgan angewiesen sind, warten müssen. So wie Kiara. "Die Zeit war eine Riesengeduldsprobe", erinnert sie sich, aber sie war auch voller Hoffnung, denn der Anruf konnte jederzeit kommen.
Nicht jeder Anruf bedeutet eine Transplantation
Jederzeit heißt auch um drei Uhr morgens. So war es bei Kiara. Einmal. Denn bei einem Anruf blieb es nicht. Kiara erklärt das so: Der Anruf kommt, wenn das Organ entnommen wird. Doch erst die Chirurgen in der Klinik, in der die Transplantation stattfinden soll, entscheiden, ob es auch transplantierbar ist. Bis dahin muss die empfangende Person aber schon informiert oder sogar vor Ort sein. Kiara hat im Laufe ihrer Wartezeit drei Anrufe bekommen, aus denen letztlich keine Spende wurde. Beim vierten Mal hat es endlich geklappt.
"Mit jedem Organ schenkt man Lebenszeit, die der Mensch sonst nicht gehabt hätte."
Heute führt Kiara etwas, das man als ganz normales Leben bezeichnen kann. Ein Leben, nach dem sie sich lange gesehnt hat. Dass sie ein Organ von einem Menschen hat, von dem sie weder Namen noch Geschlecht kennt, beschäftigt sie im Alltag nicht besonders. Und wenn, sagt sie, ruft es in ihr Dankbarkeit hervor. Dafür dass jemand so selbstlos war, ihr ein Leben zu ermöglichen, obwohl ihres oder seins zu Ende war.