OrganspendeDie Toten leben noch
Für die Organspende werden Lebende benötigt, die zugleich tot sein müssen. Der Medizinethiker Axel Bauer spricht in seinem Vortrag deshalb von einem rechtlichen wie normativen Dilemma, das schwer aufzulösen sei. Die jetzige und auch die geplante gesetzliche Regelung zur Organspende in Deutschland kritisiert er auf das Schärfste.
Axel Bauer, der von 2008 bis 2012 Mitglied des Deutschen Ethikrates war und somit die Bundesregierung beraten hat, weist auf seiner Meinung nach höchst bedenkliche Entwicklungen hin. Der Trend in Deutschland, sowohl den Beginn als auch das Ende des menschlichen Lebens per Gesetz mit genauen Zielvorstellungen regeln zu wollen, bereitet ihm allergrößte Sorgen.
"Es geht darum, den Schutz des Lebens im Interesse biologischer Forschung so spät wie möglich beginnen, ihn andererseits unter dem Druck ökonomischer Notwendigkeiten eher früh enden zu lassen."
Trotz der in Deutschland geregelten Feststellung des Hirntodes durch zwei voneinander unabhängige Ärzte ist nach Bauers Überzeugung der Mensch keineswegs tot.
Wäre er das, dürfte die Leiche logischerweise beerdigt werden. Das darf sie aber eben nicht, weil andere Organe und das Herzkreislaufsystem noch intakt sind. Laut Bauer stirbt der Mensch erst durch das Abstellen der Beatmungsmaschinen beziehungsweise die Entnahme der Organe.
Denn Organe, die transplantiert werden sollen, können nicht einer Leiche entnommen werden. Sie müssen "frisch" sein, also noch "leben", wenn sie in einem anderen Körper erfolgreich weiterarbeiten sollen
"Vielmehr ist der juristisch für tot Erklärte im biologischen und phänomenologischen Sinne noch am Leben."
Die Gesundheitsminister der Länder haben im Sommer 2018 an den Deutschen Bundestag appelliert, eine Debatte darüber anzustoßen, wie künftig mehr Organe als bisher entnommen werden können.
Die Zahl der Organspender ist bekanntlich recht niedrig. Erhöht werden könnte sie durch eine sogenannte Widerspruchslösung. Das heißt, jeder wird per Gesetz automatisch Organspender - es sei denn, er wehrt sich ausdrücklich dagegen.
Axel Bauer leitet an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg das Fachgebiet Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin. "Hirntod und Transplantationsmedizin: Sterben als soziales Konstrukt?" hieß sein Vortrag vom 15. Dezember 2016 in Heidelberg.
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