Hilfsangebot in BerlinServicestelle kümmert sich um Opfer von Straftaten
Opfer einer Straftat sind mit der Situation oft überfordert. In Berlin fragt die Polizei Betroffene nun proaktiv, ob sie weitere Hilfe brauchen. Diese kommt von einer neuen Servicestelle – kostenlos und unverbindlich.
Die längste Zeit wurde in Berlin Opfern von Verbrechen nur in einem Fall proaktiv Hilfe angeboten: bei häuslicher Gewalt. Nun ist es egal, von welcher Straftat ein Mensch betroffen war. Eva Schumann vom Verein Opferhilfe Berlin war maßgeblich daran beteiligt, ein Modell in Berlin zu etablieren, das etwa in den Niederlanden längst Standard ist. Denn die Herausforderung ist überall dieselbe.
"Aus eigener Kraft heraus bei einer Beratungsstelle anzurufen: Das ist total schwer. Und je schlechter es einem geht, desto schwieriger wird das."
Ziel der Servicestelle ist es, proaktiv Opfer und Helfer*innen zusammenzubringen. Anderthalb Jahre lief das Pilotprojekt der Opferhilfe. Den entscheidenden ersten Schritt macht die Polizei. Sie fragt, ob weitere Unterstützung gewünscht wird – zum Beispiel bei der Anzeige auf der Wache oder wenn die Beamten an den Ort des Verbrechens kommen.
"Das ist der entscheidende Zeitpunkt, wo es gut ist, auch Menschen zu erreichen. Bis jetzt war das so, dass Betroffene von der Polizei bestenfalls Informationsmaterialien von Beratungsstellen bekommen haben."
Netzwerk aus hochspezialisierten Hilfsorganisationen
Möchte eine Person weitere Unterstützung, schickt die Polizei die Informationen über den Fall an die Opferhilfe. Diese leitet sie umgehend an eine von 23 Hilfsorganisationen weiter, je nach Art des Verbrechens und der Kapazität. Die Helfer sind teilweise hoch spezialisiert, zum Beispiel auf bestimmte Delikte, Personen- oder Altersgruppen.
"Wenn es um Verarbeitung geht, geht es extrem darum: Was passiert danach?"
Auch die Opferhilfe selbst bietet Beratung an. Mit im Team ist Janina Klein. Sobald sie von der Servicestelle einen Fall bekommt, ruft sie zeitnah bei der Person an und bietet ihr Hilfe und Beratung an.
Das Sicherheitsempfinden wiederherstellen
Am häufigsten betreut Janina Klein Opfer von Einbrüchen, Raub und sexualisierter Gewalt. Ob es nach dem ersten Telefonkontakt noch zu weiteren Gesprächen kommt, vielleicht auch in den Räumen der Opferhilfe, das hänge sehr vom Einzelfall ab. Ein typisches Problem nach Wohnungseinbrüchen ist zum Beispiel, dass die Opfer durch bestimmte Gerüche oder fremde Gesichter ständig an die Tat erinnert und aufgewühlt werden.
"Darüber zu sprechen, dass diese Symptomatiken ganz normal sind und eine Schutzfunktion haben, ist wichtig, um das einzuordnen und wieder ein Sicherheitsempfinden zu erreichen. Je früher, desto besser."
Die TIN*-Antigewaltberatung wird von der Servicestelle kontaktiert, wenn es um Straftaten gegen trans*, inter* und nicht-binäre Menschen geht. Chris Lila Henzel gehört zum dreiköpfigen Team der Neuköllner Organisation und ist begeistert von dieser Lotsenfunktion:
"Die Betroffenen müssen nicht selber nachsuchen, welche Fachberatungsstelle für sie in Frage kommt, was gerade bei trans*, inter* und nicht-binären Leuten im Gewaltbereich ein wichtiges Thema ist."
Häufig kann Chris Lila Henzel ihnen mit Kontakten zu Anwälten, Medizinern, zur Traumaambulanz oder zur Opferentschädigung helfen. Meist geht es für die Ratsuchenden um die Folgen körperlicher Gewalt.
Standardisierung wird eine Herausforderung
Vor allem nach Körperverletzungen, Diebstahl, Betrug und Einbrüchen haben Menschen die Servicestelle und das Beratungsnetzwerk gerne genutzt, resümiert Eva Schumann vom Verein Opferhilfe die Pilotphase. Die Resonanz hat die politisch Verantwortlichen so sehr überzeugt, dass das Modell nun ausgeweitet wird – von nur einer Polizeidirektion auf die gesamte Berliner Polizei.
Allerdings: Die dauerhafte Finanzierung durch Steuern ist noch nicht sicher und auch Fachkräfte und günstige Gewerberäume sind schwer zu finden. Insofern könnte die Standardisierung der proaktiven Opferhilfe noch eine echte Herausforderung werden.