Online-Portal ÖzgürüzKritische Presse für die Türkei? Erstmal sperren
Schon einen Tag nach dem Launch ist die deutsch-türkische Website "Özgürüz" in der Türkei gesperrt. Für Mit-Herausgeber Markus Grill ist das keine Überraschung. Für ihn ändert es nichts am Ziel der Seite, unabhängig zu informieren. Nur bei den Ausspielwegen müsse man nun kreativer werden.
Einen Tag nach dem Launch des deutsch-türkischen Online-Portals "Özgürüz" gibt es das erste Problem: In der Türkei wurde die Webseite gesperrt. Dabei ist das Ziel des Portals eine unabhängige Berichterstattung für die Türkei. Die Redaktion um Chefredakteur Can Dündar schreibt so etwa zum Auftakt: "Wir werden all jene Nachrichten, die vor dem Volk geheim gehalten, zensiert oder verboten werden, veröffentlichen. Ohne zu verzerren, ohne zu übertreiben. Objektiv, sorgfältig, mit Entschlossenheit und Mut."
Für Markus Grill, Chefredakteur des Rechercheverbunds Correctiv, das Özgürüz herausgibt, ist das keine Überraschung. Für ihn ändert es nichts an der Grundidee des Magazins: zu informieren. Es gehe eher darum, das Problem technisch zu lösen, sagt Markus Grill. So müssen türkische Leser jetzt einige Umwege in Kauf nehmen, um Özgürüz weiter lesen zu können. Das sei für viele jedoch nichts Ungewöhnliches mehr.
"Viele Menschen in der Türkei sind es gewohnt, mit solchen Zensurmaßnahmen umzugehen. Laut meinen türkischen Kollegen ist es sehr viel verbreiteter, Seiten mit Verschlüssungssoftware aufzurufen oder es per VPN zu lösen."
Und die ersten Nutzerzahlen scheinen das zu bestätigen, sagt Markus Grill. Im Moment erhalte die Seite die meisten Zugriffe aus der Türkei. "Die Behörden haben die Seite geblockt, aber viele Leute in der Türkei können sie dennoch lesen."
Auch auf weiteren Wegen will das Özgürüz-Team versuchen, die Sperrung zu umgehen: etwa indem sie alternative Spiegelungen der Seite platziert. Auch Social-Media ist ein Weg, den die Journalisten verstärkt nutzen wollen. Bedarf ist anscheinend da, bereits 30.000 Twitter-Follower verzeichnet das Angebot nach nur drei Tagen. Allerdings stehen natürlich auch die Social-Media-Kanäle unter Beobachtung, weiß Markus Grill. "Erdogan hat ja bereits wörtlich gesagt: 'Twitter werden wir ausrotten'. Auch ist es schon vorgekommen, dass in kritischen Situationen die Übertragungsgeschwindigkeit herabgesetzt wurde."
Eine mögliche Zensur hat das Özgürüz insofern einkalkuliert. Besonders Chefredakteur Can Dündar stand schon häufiger im Fokus der türkischen Behörden. So saß der ehemalige Chefredakteur des kritischen türkischen Blatts "Cumhuriyet" bereits wegen Spionage und Terrorismusvorwürfen in Untersuchungshaft. Nach dem Putschversuch in der Türkei kehrte er nicht mehr in seine Heimat zurück.
"Wer weiß, wie Can Dündar bisher mit Prozessen überzogen wurde, dem war klar, dass die Türkei auch das neue Medium als gefährlich betrachten wird."
Das einzige, was Markus Grill dann doch überrascht hat, ist der Zeitpunkt der Zensur. Denn zunächst beinhaltete die Seite vor allem Selbstbeschreibungen und Ankündigungen der neuen Themen. Die angestrebten investigativen Geschichten waren zunächst noch gar nicht veröffentlicht. Markus Grill wertet das so: "Offensichtlich hat man große Angst vor den Dingen, die wir auf der Seite veröffentlichen werden."