Freundschaft und MedienOnline-Friendship: Warum brauchen wir sie?
Thi ist seit über zehn Jahren mit ihrer längsten Online-Freundin befreundet. Medienwissenschaftlerin Jeanine Teichert erklärt, dass sich online nur die Kommunikation ändert, nicht die Freundschaft. Soziologin Julia Hahmann gibt Tipps, wie digitale und analoge Freundschaften balanciert werden können.
Echte Freundschaft: Das geht auch, wenn Menschen sich online kennenlernen und selten oder überhaupt nie wirklich offline treffen. Thi hat Freundinnen, die sie im Netz kennengelernt hat – mindestens zwei. Thi hat im Alter von elf oder zwölf angefangen, Videos bei Youtube zu posten. Dann haben die beiden sich dort geschrieben. Später sind sie zu Instagram gewechselt.
"Während der Covid-Zeit saßen wir sowieso an den Bildschirmen. Ich denke, dass die Covid-Zeit wirklich unsere Bindung gestärkt hat."
Während der Corona-Pandemie ist ihre Freundschaft stärker und intensiver geworden, sagt Thi. Sie haben sich tage- und nächtelang geschrieben und angefangen, auch Beziehung- und Familienprobleme zu teilen. "Dass die Bindung so stark wird, hätte ich niemals gedacht", sagt Thi heute.
Viel Freundschaft, wenig Konflikte
Der räumliche Abstand in diesen Online-Freundschaften ist dabei schon eine Schwierigkeit – jedenfalls im Vergleich mit Freundschaften zu Menschen, die in der näheren Umgebung leben: "Also diese Distanz ist schon hart. Diese Nähe fehlt mir."
Dafür sind This Online-Freundschaften eigentlich frei von harten Konflikten. Bei Thi keimt manchmal der Verdacht auf, ihr Gegenüber vielleicht doch nicht richtig zu kennen.
"Mir fällt vor allem auf, dass ich mit meinen zwei engsten Freundschaften noch nie gestritten habe."
Allgemein unterscheiden sich Online- und Analog-Freundschaften nicht so sehr, sagt die Kommunikationswissenschaftlerin Jeanine Teichert. Sie ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medienwissenschaften der Universität Paderborn.
"Die Prinzipien sind immer noch die gleichen wie bei Brieffreundschaften. Auch da geht man danach: Wer erscheint mir sympathisch?"
Die relative Anonymität des Settings könne bei Online-Beziehungen einerseits zu völliger Offenheit beim Austausch führen, andererseits den genau gegenteiligen Effekt haben: mehr Zurückhaltung. Die Auswahl des Gegenübers bei freundschaftlichen Online-Beziehungen funktioniere schlicht nach Sympathiekriterien.
Offline? Online? Freundin bleibt Freundin
Auch Soziologin Julia Hahmann betont eher die Gemeinsamkeiten von Online- und Offline-Freundschaften. Online-Freundschaften ließen sich auch nicht einfacher beenden, weil sie Online-Freundschaften sind, sagt sie. Das Medium mache nicht den Unterschied.
Wie bei einer Brieffreundschaft auch, sei eine Online-Freundschaft vielleicht deswegen leichter zu beenden, weil es keine räumliche Nähe, keinen unmittelbaren sozialen Kontakt gebe.
"Man kann Freundschaften, die nicht vor Ort sind, schneller beenden. Das liegt nicht am Medium, sondern an der fehlenden räumlichen Nähe."
Sie weist vielmehr darauf hin, dass umgekehrt manche Freundschaften, die sich auf spezielle Interessen und Hobbys gründen, nur deswegen entstehen, weil dieser Anknüpfungspunkt online sichtbar wird. Das gelte auch für Bereiche der Identitätsentwicklung allgemein und den Bereich Trans-Identites und sexuelles Begehren im Besonderen.
Auf kognitiver und emotionaler Ebene könne sich eine Online-Freundschaft genauso nah anfühlen wie eine Offline-Freundschaft. "Man kann sich ja total eng austauschen und kennenlernen und ganz viel über die andere Person erfahren und ganz viel Unterstützung durch die andere Person erlangen," sagt die Soziologin.