Botenstoffe im GehirnGewinnen und jubeln bedeuten auch Stress
Menschen reagieren sehr unterschiedlich, wenn sie gewinnen. Das zeigen auch die Olympischen Winterspiele. Manche jubeln und flippen aus, andere bleiben merkwürdig verhalten. Gewinnen kann echt Stress sein.
Bei einem Olympiasieg kommt es bei den Gewinner:innen im Gehirn sehr wahrscheinlich zu einem Dopamin-Feuerwerk, erklärt unsere Reporterin Ilka Knigge. Der Botenstoff Dopamin wird auch bei einem leckeren Essen ausgeschüttet. Oder bei einer Aktivität, die uns Freude macht. Entscheidend für Euphorie ist, dass mehr Dopamin ausgeschüttet wird als zuvor. "Dann empfinden wir Freude und jubeln eventuell auch", sagt Ilka.
Botenstoffe sorgen für Freude und Jubel
Aber eben nur eventuell. Denn einige Sportler:innen zum Beispiel bei den aktuellen Olympischen Winterspielen in Peking werfen bei einem Sieg die Hände in die Luft und schreien laut. Andere hingegen bleiben still und scheinen fast unberührt von der Situation.
Der Grund dafür ist, dass Menschen verschieden mit Unsicherheit umgehen, so Ilka. Sportler:innen arbeiten zwar lange auf eine Medaille hin und sie wollen gewinnen. "Aber die wirkliche Situation, auf die kann sich ein Mensch kaum vorbereiten", sagt Ilka. Und das bedeutet eben auch, dass die Unsicherheit groß ist, wenn der Sieg dann da ist.
Es geht um Unsicherheit und Übersprungshandlungen
Schreien und Jubeln sind eben Übersprungshandlungen, erklärt der Neurowissenschaftler und Autor Henning Beck. Solche Handlungen treten ein, wenn ein Gehirn nicht weiß, was es machen soll. "Ein Gehirn mag das nicht, deswegen wird dann irgendwas gemacht."
"Wir wissen, dass ein Gehirn solche Alternativreaktionen durchführt, einfach nur um diesen Moment besser zu kontrollieren."
Denn in so einem Moment des Erfolges ist es einfach auch so, dass das Gehirn total im Stress ist, so Ilka. Und mit Stress gehen Menschen sehr unterschiedlich um. Nämlich: Fight, Flight oder Freeze. Also kämpfen, flüchten oder erstarren. Das kann auch erklären, warum manche Sieger:innen zunächst völlig abwesend wirken und andere wild jubeln und die Sau rauslassen.
Bei großen Sportevents wie den Olympischen Spielen wissen die Gewinner:innen aber auch, dass viele Kameras auf sie gerichtet sind. Das erhöht den Stress, denn es ist klar, dass teils Millionen von Menschen zuschauen, wie sie denn nun auf ihren Triumph reagieren.
Der Moment des Sieges kann wie ein Blackout sein
Das kann dazu führen, dass das Gehirn kurzzeitig andere Funktionen nicht mehr leisten kann wie zum Beispiel das kreative Denken und das freie Assoziieren. Personen wirken dann, als ob sie neben sich stehen. Oder sie reden Quatsch, so Ilka.
Denn solche Situationen können wie ein Blackout verlaufen, sie gehen auf Kosten der Erinnerung, so Neurowissenschaftler Henning Beck. Die Ausschüttung von Botenstoffen ändert nicht, was jemand in solch einer Situation wahrnimmt, sondern wie sie oder er es wahrnimmt, so Beck.
"Die Weltöffentlichkeit schaut auf dich, und in diesem Moment bist du so unter Stress, dass Botenstoffe im Gehirn freigesetzt werden. Und in diesem Fall wirken die, wie ein Sinnesfilter."
Die Art und Weise, wie Personen dann die Welt wahrnehmen, wird kontrastreicher und fokussierter, damit man in dieser Stresssituation nicht versagt. "Wie so ein Foto-Filter auf Instagram", so Henning Beck.
Aber wie stark dieser Foto-Filter ist, das ist auch sehr individuell, so Ilka. Manche Gewinner:innen sind einfach auch sehr cool oder sehr siegesgewiss, sodass der Stress beim Gewinnen weniger dramatisch ist.