Krieg gegen die UkraineKaum Unterstützung: Geflüchtete ohne ukrainischen Pass
Zehntausende Menschen sind seit Beginn des Angriffskrieges aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet. Viele treffen auf große Hilfsbereitschaft und Unterstützung – wenn sie einen ukrainischen Pass haben. Für Geflüchtete aus Drittstaaten ist die Lage dagegen oft prekär.
Während viele ukrainische Menschen auf ihrer Flucht vor dem Krieg auf breite Unterstützung hoffen konnten, gingen Bilder von People of Colour um die Welt, die auf ihrer Flucht von polnischen oder ukrainischen Grenzschützern gehindert wurden, in Züge einzusteigen. Viele haben es trotz der schweren Reise nach Deutschland geschafft. Sie sagen: Im Krieg sind sie zwar nicht mehr – sicher fühlen sie sich aber trotzdem nicht.
Status für Geflüchtete aus Drittstaaten unklar
Sie standen kurz vor ihrem Abschluss, haben jahrelang gearbeitet und ihr ganzes Vermögen dafür aufgewendet, sich ein Leben in der Ukraine aufzubauen. Das haben sie nun alles verloren, erzählt Reporterin Luise Sammann.
Sie hat Geflüchtete aus Drittstaaten in Berlin getroffen und mit ihnen über ihre Situation gesprochen. Und die sei schwierig, sagt sie, denn im Gegensatz zu Geflüchteten mit ukrainischem Pass erhalten sie keinerlei finanzielle Unterstützung und wissen nicht, ob und wann sie in ihre Hekrunftsländer zurückgeschickt werden.
"Der temporäre Schutz für Kriegsvertriebene nach §24 AufenthG gilt nur für Geflüchtete mit ukrainischem Pass – für alle anderen ist die Situation unklar. Die EU hat die Entscheidung über ihren Status vertagt."
Um ukrainischen Geflüchteten schnellstmöglich Schutz zu bieten, hat sich die EU bereits am 4. März 2022 auf die Massenzustrom-Richtlinie geeinigt. Dadurch konnten die Mitgliedstaaten mit sofortiger Wirkung einen humanitären Aufenthaltstitel erteilen. Wie es aber für Menschen weitergehen soll, die keinen ukrainischen Pass haben, ist bis heute unklar, so Luise Sammann.
Beschlossen wurde nur, dass diese Menschen sich vorerst bis zum 31. Mai 2022 in Deutschland aufhalten dürfen, ohne ausgewiesen werden zu können. Diese Frist wurde nun bis Ende August verlängert.
"Eine Verlängerung dieser Frist ohne tatsächliche Entscheidung, wie es weitergehen soll, bedeutet auch eine verlängerte Ungewissheit. Die Menschen wissen nicht, worauf sie sich vorbereiten sollen."
Für diesen Zeitraum können sich die Geflüchteten aus Drittstaaten zwar in Deutschland aufhalten, doch erhalten sie im Gegensatz zu ukrainischen Geflüchteten keinerlei finanzielle Unterstützung – sie sind auf private Hilfe und Spenden angewiesen. Viele von ihnen haben aber bereits ihr gesamtes Vermögen für Studiengebühren oder ihre Mieten in der Ukraine aufgebraucht.
Tubman-Network unterstützt Schwarze
Holabadi ist einer von ihnen. Nach einer zweitägigen Reise ist der gebürtige Nigerianer in Berlin angekommen. Er erzählt, dass ihm auf schroffe Art und Weise mitgeteilt wurde, außer Essen könne ihm keine Hilfe angeboten werden. Schließlich fand er Unterstützung beim Tubman-Network – ein Zusammenschluss von Schwarzen in Berlin, die gezielt schwarzen Geflüchteten helfen, sie mit Essen versorgen, ihnen Schlafplätze vermittelt und sie zu ihrer rechtlichen Lage beraten.
"Unterkünfte finden sie meistens bei Menschen, die selbst von Rassismus betroffen sind. Denn viele weiße Berliner, so wurde es mir immer wieder geschildert, wollen geflüchtete PoC anscheinend nicht aufnehmen."
Inzwischen konnte das Netzwerk über 1.500 Schlafplätze vermitteln, doch nun stoßen sie an ihre Grenzen. Sie finden keine Menschen mehr, die anderen einen Schlafplatz anbieten können oder wollen. Für unsere Reporterin ist die Lage vor Ort verstörend – vor allem im Gegensatz zur großen Solidarität, die ukrainische Geflüchtete erfahren.
Herkunftsland oft keine Option
Viele der Menschen, die in der Ukraine gelebt haben und nun fliehen mussten, hoffen darauf, dass sie bald zurückkehren können: um ihr Studium zu beenden, ihre Investitionen der letzten Jahre nicht zu verlieren und ihr Leben weiterzuleben. In ihre Herkunftsländer können oder wollen viele nicht zurück, erzählt unsere Reporterin. Denn dort gebe es oft niemanden mehr, der auf sie wartet.