RegierungsbildungÖsterreich: Die Stunde der rechtsextremen FPÖ

Es könnte sein, dass Österreich bald einen rechtsextremen Kanzler bekommt. Denn Herbert Kickl, Parteivorsitzender der FPÖ, hat den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Was passiert, wenn er wirklich an die Macht kommt?

Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) ist aus den Nationalratswahlen am 29. September 2024 als stärkste Kraft mit fast 29 Prozent der Stimmen hervorgegangen. Dennoch hat der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen damals nicht die FPÖ mit der Regierungsbildung beauftragt, sondern die zweitstärkste Kraft: die Österreichische Volkspartei (ÖVP) unter dem noch amtierenden Kanzler Karl Nehammer. Denn weder die ÖVP noch die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) oder die liberale Partei Neos wollten mit der FPÖ koalieren.

Doch die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos sind gescheitert. Über das Ziel hinaus, eine Regierung mit der rechtsextremen FPÖ zu verhindern, konnten die drei Parteien keine ausreichende gemeinsame politische Grundlage herstellen, um eine Regierung zu bilden. Die Konsequenz daraus: Bundespräsident Van der Bellen hat nun den Parteivorsitzenden der FPÖ, Herbert Kickl, mit der Regierungsbildung beauftragt. Kanzler Nehammer hat inzwischen angekündigt, als Parteivorsitzender der ÖVP und als Kanzler zurückzutreten.

"Die FPÖ ist eine rechtsextreme Partei. Herbert Kickl hat die FPÖ noch einmal radikalisiert, weil er nicht einmal mehr den Schein wahrt."
Natascha Strobl, Politikwissenschaftlerin

Welche Ziele Herbert Kickl verfolgt, wird deutlich in der Wortwahl für das FPÖ-Wahlprogramm: Er bezeichnet es als "Festung Österreich", sagt Natascha Strobl. Die Politikwissenschaftlerin forscht seit vielen Jahren zu Rechtsextremismus und der neurechten und rechtsextremen Identitären Bewegung (IB), die zunächst in Frankreich entstand und seit 2012 auch in Österreich aktiv ist. Zwei Jahre später gab es auch die ersten Mitglieder in Deutschland.

Kickls offener Schulterschluss mit der Identitären Bewegung

Herbert Kickl distanziert sich nicht von der IB und sagt offen, dass sie für ihn eine Bürgerbewegung ist, die ihren Platz hat, sagt Natascha Strobl. Die IB ist eine Jugendorganisation der neuen Rechten, die faschistische, neofaschistische Inhalte popkulturell verpackt und sie mit speziellen Strategien auf die Straße gebracht hat, erklärt die Wissenschaftlerin. Mit ihren Aufmerksamkeitsstrategien sei die IB sehr bekannt geworden und bestimme maßgeblich die Ideologie und die Strategie des aktuellen Rechtsextremismus.

"Inhaltlich gibt es keinen Unterschied zwischen FPÖ und Identitären."
Natascha Strobl, Politikwissenschaftlerin

FPÖ und IB würden dieselbe Sprache sprechen, seien gleich radikal und würden dieselben Ziele verfolgen. Im Sinne der "Festung Österreich" wollen sie eine militärische Abwehr von geflüchteten Menschen, erläutert die Politikwissenschaftlerin. Aber auch gegen jeglichen Einfluss von außen. Damit wollen sie nach innen eine statische Gesellschaft möglichst reinhalten, "die niemanden braucht außer sich selbst", umschreibt sie das Gedankengut.

Wie sich mit Abschottungsideen Sündenböcke schaffen lassen

Diese Ziele lassen sich aber nicht verwirklichen, erklärt Natascha Strobl. Denn Österreich liegt mitten in Europa, ist Mitglied der EU und auf viele andere Länder angewiesen. Diese Idee der Abschottung Österreichs sei deshalb unrealistisch. Wenn sich aber dieses Ziel nicht umsetzen lässt, dann würde man sich Sündenböcke suchen, die dafür verantwortlich seien. "Das ist das Spiel des Rechtsextremismus seit über 100 Jahren", so Natascha Strobl. "Und wenn man sich da die Historie anschaut, dann kann einem eigentlich nur grauen."

In einem solchen österreichischen Staat werden dann Minderheiten, Frauen, linke Kritiker*innen, Künstler*innen und soziale Minderheiten wie Obdachlose in Gefahr sein, fürchtet die Wissenschaftlerin. Sie müssten dann als Sündenböcke herhalten. "Und das war immer schon das Gesamtpaket des Reichsextremismus und historisch auch des Faschismus, dass einem die Sündenböcke nie ausgehen", warnt Natascha Strobl.

"Mein Freundeskreis besteht mehrheitlich aus migrantischen Personen, die Angst haben, dass ihnen die Staatsbürgerschaft wieder weggenommen wird."
Alexandra Stanić, Medienschaffende

Herbert Kickl hat in seinen Reden gesagt, dass Integrationsunwilligen die Staatsbürgerschaft aberkannt werden würde, sagt Alexandra Stanić. Die Journalistin und Podcasterin lebt in Wien. Ihre Eltern stammen aus Bosnien-Herzegowina. Viele ihrer Freund*innen und Bekannten sind Menschen mit Migrationserfahrung. Schon lange würden die Aussagen von Kickl sie mit Sorge erfüllen. Jetzt scheine die Stimmung zu kippen.

Minderheiten fürchten Diskriminierung

Auch queere Personen hätten sich bei ihr auf Instagram gemeldet und ihr gesagt, dass sie große Angst vor einer FPÖ-geführten Regierung hätten. Denn Kickl äußere sich bislang eher mit Verachtung gegenüber der LGTBIQ-Community.

Deshalb warnt Natascha Strobl eindringlich: Das, was in Österreich passiert, ist furchtbar, aber sollte in Deutschland nach der anstehenden Bundestagswahl eine rechtsextreme Partei zum Zug kommen, wäre das fatal. Denn Europa brauche ein stabiles Deutschland gegen den Rechtsextremismus. "Wir stehen jetzt an einer Wegscheide der Geschichte in Österreich, in Europa und in Deutschland. Aber die Zukunft ist noch nicht ausgemacht", sagt die Politikwissenschaftlerin. Wir hätten es in der Hand, unsere Zukunft zu gestalten und sollten dafür bis zum Schluss kämpfen, dass sie besser werde. "Und ich glaube auch, dass das noch gelingen kann."