NS-VerbrechenBremen als Drehkreuz der Todesmärsche
Gegen Ende des zweiten Weltkriegs schickten die Nationalsozialisten KZ-Gefangene auf Todesmärsche, bei denen viele starben. Bremen war ein Drehkreuz dafür, doch erforscht wurde das bisher noch wenig. Ein Vortrag der Historikerin Lilja Girgensohn.
Als britische Truppen am 4. Mai 1945 das Konzentrationslager Neuengamme betraten, fanden sie es geräumt vor. Die SS hatte das Lager zuvor aufgelöst und die Gefangenen auf Transporte und Todesmärsche geschickt. Viele starben auf diesen qualvollen Märschen.
"Es gibt kaum Quellen zu den Todesmärschen."
Die Geschichte der Todesmärsche am Ende des zweiten Weltkriegs ist für Historikerinnen und Historiker schwierig zu erforschen. Die Quellenlage ist dünn, es gibt nur wenige schriftliche Dokumente der nationalsozialistischen Täter.
"Bremen entwickelte sich in der letzten Phase des Krieges zu einem Drehkreuz der KZ Außenlagertransporte."
Die junge Historikerin Lilja Girgensohn hat in ihrer Masterarbeit die Geschichte der Todesmärsche in und um Bremen herum erforscht. Was sie dabei herausgefunden hat, erzählt sie in ihrem Vortrag. Der Bunker "Valentin" war ein logistisches Zentrum der Märsche. Bremen, so Girgenson, war ein Drehkreuz für die Todesmärsche aus dem KZ Neuengamme und aus den KZ-Außenlagern.
Rekonstruktion der Todesmärsche in Bremen
Girgensohn rekonstruiert in ihrer Arbeit und in ihrem Vortrag die genauen Marschrouten der verschiedenen Todesmärsche um Bremen herum. Ihre Quellen sind die Berichte von Überlebenden.
"Die Überlebenden sprechen selten aus einer Ich-Position. Sie erzählen selten ihre individuelle Verfolgungsgeschichte. Ihre Motivation ist meistens, Zeugnis darüber abzulegen, was geschah."
Selten, so Girgensohn, erzählen die Überlebenden von ihren persönlichen Erlebnissen oder ihren Gefühlen. Die Berichte sind meist nüchtern und sachlich. Denn das Anliegen der Überlebenden war es, Zeugnis abzulegen über die Todesmärsche. Um glaubhaft zu sein, haben sie ihre Zeugnisse meist so faktisch wie möglich gehalten.
"Wo starben Häftlinge und wo werden noch unbekannte Gräber vermutet?"
Girgensohn kommt in ihrer Arbeit zu dem Schluss, dass es mehr Todesmärsche verteilt über einen längeren Zeitraum gab, als bisher angenommen. Durch die genaue räumliche und zeitliche Rekonstruktion der Märsche könnten sich auch heute noch Gräber finden lassen von Menschen, die auf den Märschen ums Leben gekommen sind, sagt Girgensohn. Mit ihrer Arbeit und dem Vortrag möchte sie einen Beitrag dazu leisten, das Andenken an die Opfer der Todesmärsche in der Erinnerung zu halten.
Lilja Girgensohns Vortrag hat den Titel "Es heißt krepieren oder marschieren". Sie hat ihn am 05. Februar 2024 in der Landeszentrale für politische Bildung in Bremen gehalten. Der Vortrag war Teil des Programms "27. Januar 2024 - Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus" und basiert auf Lilja Girgensohns Masterarbeit am Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bremen.