Gescheitertes NPD-Verbotsverfahren"Das unsägliche Gewürge ist jetzt vorbei"
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Die NPD wird - erneut - nicht verboten. Sie verfolge zwar verfassungsfeindliche Ziele, habe aber nicht das Potenzial, die Demokratie in Deutschland zu beseitigen, so die Begründung der Richter. Die richtige Entscheidung, sagt der Journalist Olaf Sundermeyer, der sich intensiv mit dem Thema Rechtsextremismus beschäftigt.
"Ich freue mich über den unverstellten politischen Blick des Bundesverfassungsgerichts - ohne von Interessen gesteuert zu sein."
Olaf Sundermeyer lobt die Entscheidung des Gerichts. In seinen Augen sind die Richter zum richtigen Ergebnis gekommen. Das "ganze unsägliche Gewürge" sei jetzt "endlich vorbei", sagt der Rechtsextremismus-Experte. Über Jahre seien immense Ressourcen verbraten worden - bei den Gerichten und in den Verwaltungen der Innenministerien. Außerdem wäre das Urteil seiner Meinung nach ohnehin nicht von Bestand gewesen.
"Selbst wenn es jetzt zu dem Verbot gekommen wäre: In Straßburg wäre es dann gescheitert. Die NPD hätte garantiert geklagt."
2003 war der erste Versuch gescheitert, die NPD zu verbieten. Seitdem sind ein paar Jahre vergangen - in dieser Zeit hat sich bei der NPD einiges geändert: Sie kommt bei ihren Wählern nicht mehr so gut an und flog bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern im vergangenen Jahr aus dem Landtag. Im Moment ist sie in keinem deutschen Landtag mehr vertreten.
"Die NPD ist innerhalb der rechtsextremistischen Szene völlig bedeutungslos, zumindest im parlamentarischen Leben."
Sie sei auch 2012 schon nicht mehr wichtig gewesen, sagt Sundermeyer, als einzelne Protagonisten, vor allem die Innenminister einiger Bundesländer, etwa von Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern, das Verbotsverfahren über den Bundesrat in die Wege geleitet hatten.
Nationalsozialismus im Jahr 2017
Trotz ihrer Bedeutungslosigkeit sei die Partei natürlich inhaltlich gefährlich.
"Das sind Nationalsozialisten, die die Demokratie abschaffen wollen und von einem Führerstaat träumen, den wir schon mal hatten."
Sundermeyer hat sich in den vergangenen Wochen dreimal zu längeren Gesprächen mit dem ehemaligen NPD-Bundesvorsitzenden Holger Apfel getroffen, der inzwischen aus der Partei ausgetreten ist, weil er sich mit seinen Leuten verkracht hat. Apfel schüttle inzwischen nur den Kopf über die Verfasstheit der NPD.
Prozess-Beschleuniger NSU
Der Aktionismus im Zusammenhang mit dem NPD-Verbotsverfahren begann nach dem Bekanntwerden der Taten der rechtsextremen Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund", sagt Sundermeyer.
"Das Auffliegen des NSU war ein staatliches, ein gesamtgesellschaftliches Desaster."
Die Politik habe eingesehen, dass sie "Mist gemacht" habe, und musste reagieren, so Sundermeyer. Und zwar so: "Jetzt verbieten wir die NPD und tun so, als wenn wir sämtliche Probleme rund um das Thema Rechtsextremismus und rechte Gewalt lösen würden." Das habe aber nichts mit der Realität zu tun, sagt der Experte. Für ihn sei es ein ziemlich durchschaubares Politmanöver gewesen.
"Das Problem ist immer noch da! Und es ist sehr viel stärker geworden, das ist ja das Irre!"
Deutschland habe in den vergangenen zwei bis drei Jahren einen massiven gesellschaftlichen Rechtsruck erlebt - zeitgleich sei in einem bürokratischen Kraftakt versucht worden, die NPD zu verbieten.
"Für mich hat das etwas Groteskes."
Die AfD hätte von einem NPD-Verbot ganz deutlich profitiert, sagt Sundermeyer. Für die neue rechtspopulistische Partei wäre es eine Art Persilschein gewesen, zu sagen: "Die Bösen sind weg. Jetzt gibt es die AfD. Wir sind die Guten."
Schwache NPD = starke AfD
Ohnehin würden bereits jetzt sehr viele ehemalige Wähler und auch Mitglieder der NPD bei der AfD ihre Heimat finden. Sie sei zwar eine rechtspopulistische Partei, habe aber auch einen kleinen rechtsextremistischen Kern. Die Partei sammele alles auf, was am rechten Rand ist.