Ungewöhnliches FundstückEndlich als Film: Treibgut aus der Nordsee
Eine Kamera, die ihren eigenen Untergang filmt? Großartig! Ein friesisches Team, das sich auf die Suche macht, den Besitzer zu finden? Noch besser. Wir erzählen euch die ganze Geschichte.
Dass Strandgut auf der friesischen Hallig Süderoog angespült wird, ist nicht so ungewöhnlich. Dieses Fundstück entpuppt sich aber als echte Überraschungskiste: Eine Kamera, die ihren eigenen Untergang filmt. Fünf Stunden läuft die wasserdichte Cam weiter, während sie von den Wellen ins offene Meer getragen wird. Aber woher kommt die Kamera?, fragen sich die Finder und beginnen mit der Detektivarbeit.
C.S.I.-Treibgut
Was sie mit Sicherheit wissen: Knapp zwei Monate war die Kamera in der Nordsee unterwegs, das zeigt schon der Timecode im Video. Die Bilder verraten auch, wie die Kamera vom Meer verschlungen wurde. Ganz zu Beginn des Videos ist ein etwa 11-jähriger Junge zu sehen. Er stellt die Kamera auf einen Stein, spielt am Strand - und vergisst sie. Um den Jungen zu finden, veröffentlicht Holger Spreer, dessen Vater die Kamera entdeckt hat, einen Zusammenschnitt der Kamera-Odyssee bei Facebook. Schnell verbreitet sich das Video viral.
Dann steigt ein Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) in die Kamera-Kriminalarbeit ein. Er kontaktiert seine britischen Kollegen, da der Junge im Video offenbar Englisch spricht. Und die sind sich sicher: Die letzten Bilder vom Festland stammen aus der Thornwick Bay in East Yorkshire. Das heißt, die Kamera hat einen Weg von 800 bis 900 Kilometer zurückgelegt.
Mithilfe einer Software, die sonst Suchgebiete von Schiffbrüchigen berechnet, können die Seenotretter nun nachvollziehen, welchen Weg die Kamera vermutlich genommen hat. Nach einem klaren Kurs auf die friesischen Inseln, macht sie erstmal einen Abstecher über Dänemark.
Fast 1000 Kilometer Reise
"Über einen so langen Zeitraum den Weg zu berechnen, das hatten wir noch nie gemacht", erklärt Christian Stipeldey von der DGzRS. Auch neu für die Software: den Weg eines wesentlich kleineren Objektes zu berechnen und mit Durchschnittswerten zu den Wetterverhältnisse auf der britischen Seite umzugehen. Das Ergebnis war dennoch ziemlich genau. Die Software kalkuliert einen Ort knapp 30 Kilometer südlich von der Stelle, die die britischen Kollegen bereits im Video wiedererkannt hatten.
"Seenotretter arbeiten oft international zusammen. Meist geht es hier um etwas sehr Ernstes: Menschen in Not zu retten. Dieses Mal es um ein Thema, das einem gerade in der Vorweihnachtszeit ein Lächeln aufs Gesicht zaubert."
Ob die zugegebenermaßen etwas rostige Kamera nun auch vor Weihnachten ihren Besitzer wiederfindet, bleibt abzuwarten. Ein bisschen Glück war aber schon jetzt im Spiel. Als Endstation ihrer Reise hat sie sich nämlich wirklich ein ruhiges Plätzchen ausgesucht. Auf der Hallig Süderoog leben ständig nur zwei Bewohner.