NeurowissenschaftMusik und binaurale Klänge gegen Angststörungen
Musik wirkt sich auf unsere Gefühle aus. Das ist bekannt. Für Patientinnen und Patienten mit Angststörungen könnte sie auch einen therapeutischen Nutzen haben, sagt ein Forschungsteam aus Kanada. Genauso wie sogenannte binaurale Klänge, die sich in einem nicht hörbaren Frequenzbereich befinden. Was lösen diese Klänge im Gehirn aus und wie können sie dort Ängste mindern?
Musik wird immer auch emotional verarbeitet, sagt Neurowissenschaftler Henning Beck. Es sei messbar, dass die Hirnregionen, die für Stress oder für die Gefühlseinschätzung von Sinneswahrnehmungen zuständig sind, durch Musik beeinflusst werden. Und das könne dann eben auch bedeuten, dass Musik bestehende Emotionen verstärken, überlagern, verschieben oder verfremden kann.
"Musik ist immer ein emotionales Ereignis in unserem Kopf."
Inwieweit Musik auch bei Ängsten konkret helfen kann, wird schon seit einiger Zeit untersucht. In der Studie aus Kanada wurden Untersuchungen mit Menschen gemacht, die nicht nur schlecht drauf sind, sondern die tatsächlich eine erwiesene Angststörung haben, die auch therapiert wird.
Musik verdrängt Angst
Ergebnis: Entspannende, emotionale Musik hat bei diesen Menschen tatsächlich dazu geführt, dass die Angstempfindungen reduziert wurden und die Menschen sich besser fühlten. Wahrscheinlich liegt das daran, dass die Hirnregionen, die die Angst kontrollieren, sich in diesem Moment primär mit der Musik beschäftigen müssen, sagt Henning Beck.
"Wenn das Gehirn die emotionale Musik verarbeitet, ist nicht mehr so viel Platz für andere Gefühle da. Für Angst beispielsweise."
Dafür nötig sind harmonische, ruhige Klänge, die sich auf unser vegetatives Nervensystem auswirken und unseren Puls senken: langsamer atmen, Stress reduzieren. Auch die Lautstärke spielt dabei eine Rolle – und ob die Musik Text enthält oder nur instrumental ist.
Mit Heavy Metal zum Beispiel wird die Therapie von Angststörungen dahingehend etwas schwieriger. Aber: Jeder Mensch hat seine eigene Gefühlslage, sagt Henning Beck. Und jeder Mensch weiß auch in etwa, wie er diese kontrollieren muss.
Einfluss binauraler Klänge
Wenn man beiden Ohren unterschiedliche Frequenzen zuführt, die nur ein bisschen verschoben sind – also zum Beispiel auf dem einen Ohr 420 Herz und auf dem anderen 430 – dann kann das dazu führen, dass sich im Gehirn eine Überlagerung einstellt. Ergebnis: Es entsteht ein virtueller, mentaler neuer Ton im Kopf. Ein sogenannter binauraler Klang. In der Hörbahn, die vom einen zum anderen Ohr führt und wo der Input sozusagen verrechnet wird, produziert das Gehirn nämlich einen Mittelwert, erklärt der Neurowissenschaftler.
"Mit binauralen Klängen könnte man Hirnfrequenzen stimulieren, um damit quasi die Denkart ein bisschen zu verändern."
Diese Klänge könnte man auch gegen Angststörungen einsetzen, so die Studie. Und zwar, indem man die Hirnfrequenzen – also die Art und Weise, wie Nervenzellen im Gehirn schwingen – mit solchen binauralen Klängen stimuliert, um sozusagen die Denkart ein bisschen zu verändern.
Die binauralen Klänge seien auch ein gewisser Trend bzw. Hype, sagt Henning Beck. Die Studienlage sei da noch ein bisschen durchwachsen. In der kanadischen Studie war es so, dass bei schweren Angststörung die Musik allein am besten wirkte. Bei leichteren Angststörungen halfen auch die binauralen Klänge.