NeurodiversitätZwar anders, aber völlig richtig im Kopf
Es gibt keine zwei Gehirne, die sich gleichen. Menschen denken unterschiedlich und stellen auf verschiedene Weisen Bezug zur Welt her. Was ist Neurodiversität, und wie gehen wir damit um? Ein Vortrag des Psychologen André Frank Zimpel.
Menschliche Gehirne sind wie Schneeflocken. Von weitem sehen sie alle gleich aus, aus der Nähe betrachtet ähnelt keins dem anderen. Das, erklärt André Frank Zimpel in seinem Vortrag, sei die Grundlage für Neurodiversität.
"Wir können mit wissenschaftlicher Sicherheit sagen, es gibt keine zwei Personen, deren Gehirn sich gleicht. Und das ist die Grundlage für Neurodiversität."
André Frank Zimpel ist Psychologe, Erziehungswissenschaftler und Leiter des Zentrums für Neurodiversitätsforschung in Hamburg Eppendorf. Dort erforscht er mit seinem Team, wie unterschiedlich Menschen denken, lernen, wahrnehmen oder Probleme lösen.
"Neurodiversität überfordert unsere Gesellschaft oft, hauptsächlich die Menschen, die es betrifft, aber auch die Umgebung, wenn Neurodiversität nicht erkannt wird und nicht verstanden wird."
Dass wir alle auf ganz verschiedene Weisen der Welt begegnen, ist an sich kein Problem. Doch Neurodiversität überfordert uns häufig, sagt Zimpel. Sie überfordert die Betroffenen und die Menschen in ihrer Umgebung. Denn unserer Gesellschaft orientiert sich in vielen Hinsichten an der Gruppe der so genannten "neurotypischen" Menschen.
Bilddenken dominiert in Förderschulen und bei Hochbegabten
Gerade wenn es um Schule und Erziehung geht, passt dieses eine Schema des Unterrichtens und Lernens für viele Menschen nicht. In den regulären Schulen sind Unterricht und soziale Erwartungen vor allem an Sprache orientiert. In Förderschulen ist jedoch der Anteil von Kindern, die stark bildbezogen denken, besonders hoch. Das gleiche gilt für die Gruppe der Hochbegabten, auch bei ihnen dominiert das Bilddenken. Das sollte uns zu denken geben, sagt Zimpel.
"Wenn Neurodiversität ignoriert wird, dann haben wir viele Probleme. Immer wieder stellen wir fest, dass wir keine Lernbehinderung oder keine geistigen Behinderungen vorfinden, sondern dass wir Menschen haben, die einen anderen Bezug zur Welt herstellen."
Wenn wir mehr Diversität zulassen, wenn der Unterricht und Schulen sich auf unterschiedliche Lernwege einstellen, dann führt das auch zu größeren Lernerfolgen. Bei seinen Studien, so Zimpel, stellten sie immer wieder fest, dass Menschen mit verschiedenen Syndromen - ADHS, Lese-Rechtschreibschwäche, Trisomie 21 oder Dyskalkulie - keine Lernbehinderung oder geistige Behinderung haben, sondern einen anderen Bezug zur Welt herstellen.
Der Vortrag
André Frank Zimpel ist Psychologe und Professor mit dem Schwerpunkt "Lernen und Entwicklung" an der Fakultät für Erziehungswissenschaften der Universität Hamburg. Er leitet das Zentrum für Neurodiversitätsforschung Hamburg/Eppendorf. Sein Vortrag hat den Titel "Neurodiversität - Anders, aber völlig richtig im Kopf". Er hat ihn am 3. April 2023 im Dialoghaus Hamburg gehalten, im Rahmen der "Vorlesung für alle" der Universität Hamburg.