Netzaktivistin Jolanda Spiess-Hegglin"Ich wollte über den Hass sprechen, den ich erlebt hatte"
Jolanda Spiess-Hegglin hat den Verein Netzcourage in der Schweiz gegründet. Sie kämpft gegen Hate Speech. Die sie selbst mit voller Wucht erlebt hat, als sie sich kaum wehren konnte.
"Ein Jahr lang ging es mir sehr schlecht", sagt Jolanda. Das war das erste Jahr nach der so genannten Landammannfeier 2014 im Kanton Zug. Jolanda war gerade für die Grünen in den Kantonsrat, das regionale Parlament, gewählt worden. Das zweite Jahr war etwas besser. "Mit der ersten Verurteilung eines Mediums gab es dann etwas Licht am Horizont." Mittlerweile sind vier Jahre vergangen.
"Ich habe nur noch zweimal im Jahr eine Zeitung in der Hand. Beim Arzt."
Das war passiert: Nach der Feier wacht Jolanda am nächsten Morgen mit Filmriss und Unterleibsschmerzen zu Hause auf. Sie weiß nicht, was passiert ist – ahnt aber das Schlimmste. Also fährt sie in die Klinik. Dort muss sie stundenlang warten, bis ihr schließlich Blut abgenommen wird. Mögliche Substanzen wie K.O.-Tropfen lassen sich nun nicht mehr nachweisen. Was gefunden wird: zwei verschiedene DNA-Spuren, unter anderem von einem Politiker der rechts-konservativen SVP. Jolanda ist der festen Überzeugung, dass sie unter Drogen vergewaltigt worden ist.
"Ich will auch kein Hass-Objekt sein. Denn ich war zuvor noch nie ein Hass-Objekt. Das Schlimmste daran war ohnehin nicht der Hass, sondern ein Objekt zu sein."
Doch sie kann es eben nicht beweisen. Das wird ihr zum Verhängnis "Ich habe diese Feier nie verarbeitet", sagt sie. Denn dazu bleibt keine Zeit. Was zwei Tage später über sie hereinbricht, beschreibt sie als Hetzjagd – erst der klassischen Medien, dann im Netz. Denn irgendwer gibt ihren Namen an die Presse. Der erscheint samt ihrem Bild auf der Titelseite größten Boulevard-Zeitung in der Schweiz. "Seither kennt mich jeder." Und Fakten spielen kaum eine Rolle mehr. "Es wurde eine politische Geschichte: linke Frau macht rechten Mann nieder."
"Netzcourage war ein Therapie-Element für mich. Ich brauchte einen Schutzschild. Ich wollte über den Hass sprechen, den ich erlebt hatte. Und ich wollte anderen helfen. Ich wollte aber nicht immer mit meinem Namen da stehen."
In Eine Stunde Talk erzählt Jolanda, wie sie in den Kantonsrat zurückgekehrt ist, wie sie Hater trifft, wie die Arbeit bei Netzcourage funktioniert, was für ein Tattoo sie mittlerweile hat, warum sie lieber Achterbahn fährt, als vor dem Fernseher zu hängen und warum sie heute "einen Scheiß muss".