Neonazi-SkandalDer Chemnitzer FC und der Druck von rechts
Nach den umstrittenen Trauerbekundungen für den verstorbenen Chemnitz-Fan und Neonazi Thomas H. am Wochenende im Chemnitzer Stadion hat der Fußball-Traditionsclub aus Sachsen Strafanzeige erstattet. Wir fassen zusammen, was bisher geschehen ist.
Vor einem Spiel des Chemnitzer FC war am Wochenende im Stadion "An der Gellertstraße" an den verstorbenen Fan Thomas H. erinnert worden - samt Pyro-Show, Leinwandbild, Schweigeminute und Banner (unser Bild oben). Das Problem: Thomas H. war ein bekennender Neonazi.
Chemnitzer Chaos
Die Vorkommnisse vom Wochenende haben inzwischen eine ganze Welle an Ereignissen losgetreten, berichtet Bastian Brandau, unser Deutschlandradio-Landeskorrespondent in Sachsen.
Am Sonntag hatte der Chemnitzer FC die Trauerminute noch offiziell als "Gebot der Menschlichkeit" verteidigt. Sie zu ermöglichen, bedeute nicht, dass man hinter den Ansichten von Thomas H. stehe. Das Signal, das nach außen gesendet wurde, war allerdings ein völlig anderes, sagt Bastian Brandau – nämlich das, dass der Chemnitzer FC einen Neonazi feiert und den Hooligans auch noch die Entscheidung darüber überlässt, wie das Ganze abläuft. Inzwischen habe das scheinbar auch der Verein erkannt und sei zurückgerudert. Geschäftsführer Thomas Uhlig hat am Sonntag (11.03.2019) alle Ämter niedergelegt.
"Der Verein weiß scheinbar auch nicht mehr so richtig, warum er das am Wochenende geduldet hat."
Vereinsintern gibt es Rücktritte, Ermittlungen, Strafen – nach außen hin aber natürlich vor allem die Diskussion, ob es der Chemnitzer FC tatsächlich ernst meint mit seinen bisher veröffentlichten Statements gegen Rassismus und Nationalismus.
Club reicht Strafanzeige gegen unbekannt ein
Am Montag (11.03.2019) reichte der Chemnitzer FC bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz eine Strafanzeige gegen unbekannt ein. Wie der Klub mitteilte, soll es vor der Würdigungszeremonie für Thomas H. möglicherweise strafbare Handlungen gegeben haben. "Nach Aussagen der zuständigen Mitarbeiter drohten massive Ausschreitungen", so Klaus Siemon, seit April 2018 Insolvenzverwalter des finanziell stark angeschlagenen Clubs. "Dieser Umstand begründet zumindest den Anfangsverdacht für eine schwerwiegende Nötigung, der von den zuständigen Ermittlungsbehörden aufzuklären ist." Der Chemnitzer FC distanziert sich also von den Ultras und bewegt sich in Richtung Opferrolle, sagt Bastian Brandau.
"Beim Verein sieht man sich inzwischen eher als Opfer."
Für alles, was im Stadion passiert, ist zunächst der Verein zuständig. Die Polizei wird zu Hilfe gerufen, wenn eine Situation nicht mehr zu beherrschen ist.
Streit zwischen Club und Polizei
Der Verein hat angegeben, die Schweigeminute sei "auch in Absprache mit den Sicherheitsbehörden" abgehalten worden. Die Polizei bestreitet das. Man habe dem Verein keineswegs geraten, die Gedenkfeier in dieser Form durchzuführen. Auch Bastian Brandau fragt sich: Wenn es diese Gewaltandrohung vor Beginn des Spiels gegeben hat - warum hat sich der Verein dann nicht an die Polizei gewandt und vorgeschlagen, das Spiel lieber abzusagen, als die Gedenkshow zuzulassen?
Staatsanwaltschaft und Sportgericht
DFB-Vize-Präsident Rainer Koch teilte mit, dass sich der DFB "in aller Deutlichkeit von den Vorkommnissen im Chemnitzer Stadion" distanziere. Der zuständige Nordostdeutsche Fußball-Verband (NOFV) beauftragte sein Sportgericht mit Ermittlungen.
Daniel Frahn und das Neonazi-T-Shirt
Nach einem Tor hat der Stürmer Daniel Frahn (31) später auch noch ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift "Support your local hools" in die Kamera gehalten – eine Geste der Unterstützung der Hooliganszene. Hinterher hat er gesagt, ihm sei gar nicht bewusst gewesen, welche Bedeutung dieses Shirt in der rechtsextremen Szene habe. Das sei nicht glaubwürdig, sagt Bastian Brandau. Eine einfache Internetrecherche hätte ihm gezeigt, dass dieses Kleidungsstück auf rechten Konzerten und Neonazi-Demos getragen wird.
"Auch das fällt auf den Verein zurück, der seine Spieler besser aufklären müsste. Dazu kommt: Das Shirt wurde Frahn von der Bank gereicht."
Der Chemnitzer FC hat Daniel Frahn mit einer Geldstrafe belegt. Wirklich ernsthafte Konsequenzen drohen ihm aber wohl nicht.
Auch die SPD-Fanbeauftragte kondoliert
Die Fanbeauftragte und SPD-Stadträtin Peggy Schellenberger hat dem Verstorbenen auf Facebook ebenfalls kondoliert - und ihn unter anderem "straight" genannt. Dieses Vorgehen sei „kaum nachzuvollziehen“ und "kaum zu fassen", sagt Bastian Brandau. Die SPD habe sich umgehend davon distanziert und gesagt, der Post sei als Privatperson "passiert".
Inzwischen wurde der Eintrag gelöscht. Außerdem hat sich der Chemnitzer FC von seiner Fanbeauftragten getrennt. Und: Peggy Schellenberger wird auch nicht mehr auf der Liste der SPD für die Kommunalwahlen stehen - bei der Neubesetzung am Samstag ist sie von der Liste runtergeflogen.
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