Nazi-Aussteigerin Heidi Benneckenstein"Wenn ich an das Mädchen denke, das ich damals war, bin ich selbst erschrocken"
Heidi Benneckensteins Eltern sind Neonazis. Und so ist sie aufgewachsen - mit "völkischen Werten". Mit 19 ist Heidi Benneckenstein ausgestiegen. Jetzt, mit 25 Jahren, hat sie ein Buch über ihr Leben und ihren Ausstieg veröffentlicht.
Hineingeboren in eine rechtsextreme Familie war ihre Welt geprägt von Disziplin, Gehorsam und fanatischem Patriotismus. Adolf Hitlers Geburtstag wurde in der Familie gefeiert, der Holocaust geleugnet, ihre Ferien verbrachte Heidi in Ferienlagern der Heimattreuen Deutschen Jugend. Ein rechtsextremer Verein, der 2009 verboten wurde. Und dennoch gelang ihr vor fünf Jahren gemeinsam mit ihrem Mann der Ausstieg aus der rechtsextremen Szene.
"Wenn ich an das Mädchen denke, das ich damals war, bin ich selbst erschrocken."
Jetzt, mit 25 Jahren, hat Heidi ein Buch über ihr Leben und ihren Ausstieg veröffentlicht. Es heißt: "Ein deutsches Mädchen. Mein Leben in einer Neonazi-Familie".
Wenn sie zurückblickt, dann hat die Heidi von damals nur noch wenig mit ihr heute zu tun. Tatsächlich fällt es ihr heute schwer, die Inhalte, die sie damals vertreten hat, wiederzugeben. "Das ist so billig und einfach, was ich damals vertreten habe, dass ich mir heute nicht mehr vorstellen kann, dass ich das damals wirklich geglaubt habe."
"Das war am Anfang schwierig, mit dieser Schuld zu leben, dass man dieser Mensch mal war. Inzwischen ist es leichter, ich kann Dinge erklären oder akzeptieren, und weiß bloß, dass ich das nie wieder will."
Den Weg sind Heidi und ihr Mann gemeinsam gegangen. Ihr Entschluss stand fest und in der Situation waren sie alleine, auch weil es in der Szene zwar Kameraden und Bekannte gab, aber bis auf eine Person hatten sie keine Freunde. Zu ihrer Mutter und kleinen Schwester hat Heidi noch Kontakt, aber zu ihrem Vater und anderen Verwandten und Bekannten aus der Szene nicht mehr.
Heidi und ihr Mann leben mit ihrem Sohn in München und engagierten sich ehrenamtlich für die Aussteigerhilfe in Bayern, die in Zusammenarbeit mit Exit ausstiegswillige Rechtsextreme begleitet. Inzwischen arbeitet ihr Mann hauptberuflich für die Aussteigerhilfe und Heidi als Erzieherin.
Gesellschaft muss mehr gegen rechte Szene unternehmen
Gerade nach dem Ausstieg hatte Heidi großes Bedürfnis zu reden. Es schien ihr auch als eine Art Wiedergutmachung: "Mittlerweile finde ich es so wichtig, dass man über dieses Thema redet, gerade was die Kindererziehung in der rechten Szene betrifft. Es wird viel zu wenig dagegen getan, als ob die Gesellschaft dem machtlos gegenüber stünde. Das kann ich so nicht akzeptieren, deshalb habe ich jetzt auch das Buch geschrieben."
Ein erstes Umdenken setzt bei Heidi zu dem Zeitpunkt ein, als sich ihre Mutter von ihrem Vater trennt. Damit änderte sich auch der Erziehungsstil. Die Erziehung des Vaters war immer sehr autoritär und von Gewalt geprägt, sagt Heidi.
"Ich war rassistisch, antisemitisch. Das große Feindbild auf der Straße ist die Antifa und die Polizei."
Doch mit 14 ist Heidi zu ihrem Vater gezogen, der sie gegen ihre Mutter aufgehetzt hatte. Dann ist sie auch selbst aktiv in die Neonazi-Szene eingetreten und war auf Neonazi-Konzerten.
"Ich bin sehr schnell gewalttätig geworden, ich glaube, das hat viel damit zu tun, dass ich in dem Moment auch selbst sehr frustriert war und nicht wusste wohin mit mir."
Am Anfang wollte sie es nicht wahrhaben, aber Frauen haben in der Szene nichts zu sagen und auch keine "Aufstiegsmöglichkeiten".
"Frauen in der rechten Szene sind vielen sexuellen Übergriffen ausgeliefert."
Ihren Mann hat Heidi 2006 bei einer NPD-Veranstaltung kennengelernt. Der gemeinsame Ausstieg hat sich dann aber längere Zeit hingezogen, auch weil sie nicht immer das selbe Ziel verfolgten: Mal wollte er aussteigen und sie nicht und anders herum.
"Es war für mich wirklich befreiend, einfach zu wissen, dass man sich jetzt allem öffnen kann und nicht von vorneherein Menschen oder Situationen ablehnen muss."
Nach dem Ausstieg hat Heidi sehr viel gelesen, um Bildungslücken zu schließen. Die ehemals überzeugte Holocaust-Leugnerin hat dann auch länger daran arbeiten müssen, diesen Teil der Geschichte neu und mit anderen Informationen in ihren Gedanken zu verankern.
"Ein deutsches Mädchen" von Heidi Benneckenstein, erschienen im Klett-Cotta-Verlag 2017.
- Ein Neonazi verschwindet | Am Höhepunkt seiner rechtsradikalen Laufbahn wird ihm alles zu krass: Achim steigt aus und krempelt sein Leben komplett um.
- Rechte Szene: Der Aussteiger | Thomas war 14 Jahre alt, als er Kontakt zur rechten Szene aufnahm. Doch als er 18 war, machte er damit Schluss.
- Willkommen im Nazi-Dorf | In Jamel in Mecklenburg-Vorpommern arbeiten Neonazis an ihrer Strategie der nationalen Dörfer.