Ornithologie"Urlaub" am Mittelmeer: Zugvögel werden bequemer
Mehrere hundert Millionen Vögel ziehen im Winter auf der Suche nach Nahrung in andere Quartiere, zum Beispiel Richtung Afrika. Einige Arten werden dem Mensch ähnlicher – und folgen dem Trend zum "Urlaub" am Mittelmeer.
Die niedrigen Temperaturen sind für die Vögel kein Problem, sagt Angelika Nelson, Ornithologin beim Landesbund für Vogel- und Naturschutz Bayern. Viele Vögel haben ein dichtes Gefieder, beispielsweise aus Daunen. Es geht eher um ihren Speiseplan: Die insektenfressenden Vögel finden keine Nahrung.
"Die Temperatur im Winter macht den Vögeln nichts aus. Oft finden insektenfressende Vögel keine Nahrung. Sie müssen deswegen andere Gebiete aufsuchen."
Dass einige Vogelarten durch die klimatischen Veränderungen in den letzten Jahren häufiger Winterquartiere anfliegen, die näher an ihren Heimatquartieren liegen, bestätigt Angelika Nelson. Es sei sogar zu beobachten, dass einige Vogelarten gar nicht mehr wegfliegen.
Kurzstreckenzieher bleiben im Zweifel auch in Deutschland
In der Biologie werde zwischen Kurzstrecken- und Langstreckenziehern unterschieden. Vor allem Langstreckenziehern falle es schwer, sich kurzfristig klimatischen Veränderungen anzupassen, erklärt Angelika Nelson. Zum Beispiel dem Kuckuck.
"Bei Langstreckenziehern ist es genetisch festgelegt, dass sie bis nach Afrika fliegen. Etwa beim Kuckuck."
Nur weil die Winter in Europa milder werden, könne sich der Kuckuck deshalb nicht einfach so umstellen, so die Ornithologin. Dagegen müssten Kurzstreckenzieher wie etwa Hausrotschwänze oder Kraniche, die üblicherweise im Winter bis in den Mittelmeerraum oder auf die Iberische Halbinsel ziehen, gar nicht mehr so weit wegfliegen: "Der Kurzstreckenzieher bleibt dann direkt in Deutschland – zum Beispiel in Bayern – und wartet ab, ob es kalt wird."
Bei plötzlichem Wintereinbruch mit Schnee und Kälte kann ein Kurzstreckenzieher aber auch noch kurzfristig abfliegen in den Süden.
Großbritannien bei Singvögeln beliebt
Dass es Singvögel häufig nach Großbritannien zieht, hat nicht in erster Linie mit dem Wetter dort zu tun, erklärt Angelika Nelson – es schneit und friert dort eher selten. Die Menschen auf der Insel sind eher der Grund: "In Großbritannien leben sehr viele vogelbegeisterte Leute, die Vögel schon seit Jahren füttern – und das beeinflusst das Verhalten von Singvögeln, die in die Gärten fliegen", so die Ornithologin.
Eine Art, die ihr Verhalten im Winter umgestellt hat, sei etwa die Mönchsgrasmücke: Im Winter fliege sie nach Großbritannien und steuere dort die Futterstellen in den Gärten an.
Die besten Reviere sichern
Um hungernde Vögel hierzulande müssen wir uns laut der Expertin aber keine Sorgen machen. Denn wenn die Vögel ihr Revier nicht verlassen, habe dies einen entscheidenden Vorteil. Und zwar den, "dass sie im Frühjahr eher zurück sind und sich dann die besten Reviere sichern können", so Angelika Nelson.