Studien zum Thema NäheDeshalb brauchen wir Körperkontakt

Wenn wir uns richtig mies fühlen, dann reicht vielleicht schon eine Umarmung, damit es uns besser geht. Aber woran liegt das eigentlich, dass Körperkontakt so eine Wirkung hat und so wichtig für uns ist? Unser Reporter Benedikt Kaninski ist der Frage nachgegangen.

Erwiesen ist: Angenehme Berührungen sorgen dafür, dass Glückshormone ausgeschüttet werden. Außerdem wird Stress abgebaut, Atmung und Herzschlag werden langsamer. Das haben verschiedene Studien herausgefunden, unter anderem bereits eine Studie von Verhaltensforscher Harry Harlow aus den 1950er-Jahren – also aus einer Zeit, in der Kuscheln und Trösten als unangemessen galt.

Körperkontakt ist essenziell

Durchgeführt wurde sie damals nicht an Menschen, sondern an jungen Affen. Harlow wollte die Äffchen möglichst keimfrei aufwachsen lassen und trennte sie deshalb von ihren Müttern – was zu Verhaltensstörungen führte. Bei einem weiteren Experiment wurden diese Affen in einen Käfig gesetzt, in dem sie die Wahl hatten zwischen zwei Mutter-Attrappen – eine war aus Draht, die andere aus Stoff.

Versuchsaffen kuscheln lieber mit der Stoff-Ersatzmutter als mit der aus Draht

Das Ergebnis: Die Affen verbrachten kaum Zeit mit der "Drahtmutter". Mit der "Stoffmutter" haben sie gekuschelt. Ihnen ging es später auch besser und sie waren weniger verhaltensgestört. Harlows Schlussfolgerung war, dass Körperkontakt für die Entwicklung essenziell sein muss – sogar dann, wenn er nur zu einer Mutter-Puppe aus kuscheligem Stoff besteht.

Studie: Berührungen stärken das Immunsystem

Eine andere Studie aus dem Jahr 2015 im Journal Psychological Science kam zu dem Ergebnis, dass Berührungen das Immunsystem stärken. Dafür wurden 404 Erwachsene untersucht. Es wurde erfasst, wie oft sie umarmt werden. Danach wurden sie einem Virus ausgesetzt. Ergebnis: Die Personen mit mehr Körperkontakt hatten 32 Prozent weniger Krankheitsanzeichen.

Tobias Frank ist der Vorsitzende des Vereins "Netzwerk Berührung" und bezeichnet sich selbst als Body Worker. Er ist überzeugt von der positiven Wirkung von Berührungstherapie. Die Menschen seien überrascht und würden immer wieder sagen, sie hätten nie gedacht, dass es so schön ist, sich von fremden Menschen berühren zu lassen.

"Die Kategorie Fremd/Freund ist gar nicht so wichtig. Wichtiger ist die Geisteshaltung und dass es eine achtsame Berührung ist."
Tobias Frank, Vorsitzender beim Netzwerk Berührung e.V.

Wichtig sei, dass es sich um eine achtsame Berührung handelt.

Es gibt aber natürlich auch Menschen, die nicht so gerne berührt werden möchten. Wichtig ist hier der Kontext und auch die Gewissheit: Jede Person darf hier individuell entscheiden.

Keine grenzüberschreitenden Berührungen

Diese Erfahrung hat auch Berührungsexperte Tobias Frank gemacht. Übergriffige grenzüberschreitende Berührungen sind seiner Meinung nach nicht heilsam und tun nicht gut. Beispiel Oma umarmen.

"Ich muss da an meine eigene Kindheit denken. Da hieß es immer: Du musst die Oma umarmen. Da wurde nicht gefragt, ob ich das will oder nicht."
Tobias Frank, Vorsitzender beim Netzwerk Berührung e.V.

Es sei völlig in Ordnung und sogar ratsam, in solchen Momenten in uns hineinzufühlen, ob das in diesem Setting, zu diesem Zeitpunkt, mit diesem Menschen für uns stimmig ist, sagt Tobias Frank.

Auch den Hund streicheln hilft!

Ein internationales Forschungsteam um Psychologin Julianne Holt-Lunstad hat untersucht, was passiert, wenn jemand längere Zeit keine Berührungen erfährt. Dafür wurden 70 Studien mit über drei Millionen Teilnehmenden zusammengefasst. Heraus kam: Wer länger alleine lebt, hat eine kürzere Lebenserwartung. Außerdem kann das zu einem höheren Krankheitsrisiko – etwa zu einem höheren BMI oder zu Bluthochdruck – führen.

Und jetzt die gute Nachricht: Wer keine(n) menschliche(n) Kuschelpartner*in hat – oder möchte – , für die oder den gibt es einen Ausgleich: Auch das Streicheln eines Hundes oder einer Katze hilft beispielsweise. Das kann nämlich ebenfalls Endorphine ausschütten, hat eine Studie aus dem Jahr 2003 gezeigt.