NachhaltigkeitPalmölanbau als Brettspiel
Im Spiel "Upstream" der ETH Zürich geht es um den Anbau von Palmöl. Ziel des Spiels: Empathie anregen und zu zeigen, dass es bei komplizierten Themen wie Palmölanbau keine einfachen Lösungen gibt.
Schokocreme, Müsli oder Kosmetik: Palmöl ist in vielen Produkten im Alltag enthalten. Trotzdem verbinden wir vor allem Negatives mit diesem Rohstoff: Wegen Palmöl wird Regenwald abgeholzt, wegen Palmöl werden Orang-Utans verdrängt – und wegen Palmöl müssen Menschen unter extrem schlechten Bedingungen auf Plantagen arbeiten.
Das Brettspiel "Upstream" macht die Zusammenhänge beim Palmölanbau deutlich
Um die Situation der Menschen in den Anbaugebieten zu verbessern, forscht ein Team unter Leitung der ETH Zürich mit einem ungewöhnlichen Mittel: einem Brettspiel. "Upstream" heißt es und wurde zum Beispiel am vergangenen Dienstag (14. Mai) in Berlin gespielt. Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Lara Lorenz war dabei und hat die Spielerin Jana begleitet, die bei der Runde in Berlin mitgespielt hat. Teilgenommen haben Vertreterinnen von Nachhaltigkeitsorganisationen und von Unternehmen, die auf nachhaltiges Palmöl setzen.
In der aktuellen Runde haben zehn Leute eine Region in Kolumbien übernommen. Diese besteht auf dem Spielfeld aus Papierdreiecken und verfügt über verschiedenen Regionen, die alle an einem Fluss liegen. Insgesamt hat das Spiel Ähnlichkeit mit den "Siedler von Catan", allerdings geht es hier um Rohstoffe.
Zusammenhänge verstehen und Lösungen finden
Der Fluss schlängelt sich einmal quer über das Spielfeld. Das "Wasser" wird durch blaue Holzkugeln dargestellt, die der Spielleiter John jede Runde schwungvoll in eine Pappschachtel schüttet. Die Spielerinnen und Spieler brauche das Wasser für ihre Palmölplantagen: Zuerst dürfen sich die Spieler bedienen, deren Felder am oberen Teil des Flusses liegen – zu ihnen gehört auch Jana.
Sie hat sich viel Wasser genommen, daher kommt bei den Landbesitzern am unteren Teil des Flusslaufes entsprechend weniger an. Einer von ihnen ist Florian – für ihn ist kaum noch Wasser übrig. Das führt natürlich zu Problemen: Ohne Wasser kann er nichts pflanzen, also auch nichts ernten. Im Prinzip ist er schon jetzt pleite. Und Florian erkennt, dass er in großer Abhängigkeit zu den anderen in dem Spiel unterwegs ist.
"Ich bin in Zone C gefangen und habe daher kein Wasser mehr und nichts pflanzen und ernten können und bin gerade pleite im Prinzip. Ich bin total abhängig von allen anderen."
Dabei könnten alle Spieler einfach zusammenarbeiten. Aber genau das ist ziemlich schwierig und anstrengend. Aber es entspricht der Realität in Kolumbien, sagen die Spielemacher. Denn sie haben das Spiel gemeinsam mit den Menschen entwickelt, die wirklich in Kolumbien Palmöl anbauen: Es geht bei dem Spiel um Rahmenbedingungen und Zusammenhänge.
Deswegen tritt auch das Palmöl schnell in den Hintergrund. Stattdessen gehe es um grundsätzliche Fragen – rund um ungleiche Startbedingungen oder Möglichkeiten der Zusammenarbeit, so Ariane Hangartner, eine der Forscherinnen hinter dem Spiel. Die Botschaft sei, zu erkennen, dass es keine einfachen Lösungen gebe.
"Die Message ist ja, es gibt keine einfachen Lösungen, man muss zusammenarbeiten, man muss Vertrauen bauen."
Warum nachhaltige Produktion nicht schneller geht
Nach zwei Stunden beendet Spielleiter John die Partie. Einfach deshalb, weil das Spiel für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer anstrengend war. Nach dem Spiel reflektiert Jana, welche Anregungen sie mitnimmt.
Jana erzählt unserer Reporterin, dass Nachhaltigkeitsorganisationen – wie die, für die sie selbst arbeitet – sich oft fragen, warum eine nachhaltige Produktion nicht schneller gehe. Durch das Spiel habe sie aber verstanden, dass die Menschen vor Ort erst mal ganz andere Sorgen haben.
"Wir Nachhaltigkeitsorganisationen, wir fragen uns: Warum geht das nicht schneller mit der nachhaltigen Produktion? Aber da hat man natürlich erst mal ganz andere Sorgen. Da ist die Motivation ganz anders, sich um den Regenwald zu kümmern oder so. Da will man erst mal überleben."
Bei Jana haben die Spielemacher ihr Ziel damit also erreicht: Empathie anregen und deutlich machen, dass es bei komplizierten Themen wie Palmölanbau eben keine einfachen Lösungen gibt.
Das Spiel gibt es übrigens auch mit anderen Ländern, in denen Palmöl angebaut wird: zum Beispiel Kamerun oder Indonesien. Die Erfinderinnen und Erfinder wollen es übrigens nicht nur mit Leuten von Umweltorganisationen spielen. Sondern auch mit Politikerinnen und CEOs –also mit den Leuten, die in der Palmölindustrie etwas zu sagen haben.