NachbarschaftWenn wir im Viertel zusammenhalten
Laura ist es wichtig, ihre Nachbarschaft zu gestalten. Ihr Projekt "Liebstes Viertel" hat sogar einen Preis gewonnen. Der Politikwissenschaftler Sebastian Kurtenbach ist für seine Forschung zwischenzeitlich in einen Plattenbau gezogen. Er sagt: Auch hier gibt es Nachbarn, die zusammenhalten.
Laura Hennicke-Küppers lebt im Gründerzeitviertel in Mönchengladbach. Sie ist dort in der Nähe aufgewachsen. Und auch wenn sie ein paar Jahre woanders gewohnt hat, irgendwie hat es sie immer wieder in ihre Heimat zurückgezogen. Und irgendwann hat es dann angefangen, dass sich Laura immer mehr mit ihren Nachbarinnen und Nachbarn vernetzt hat. So ist das Projekt "Liebstes Viertel" entstanden. Wie sie sagt, kam es dazu durch einen glücklichen Zufall.
Vom Grüßen zum gemeinsamen Pflanzen
"Ich bin 2019 immer jeden Morgen zur selben Uhrzeit ein Mal um den Block gelaufen und habe an einer bestimmten Stelle ein Fotoprojekt gemacht", erzählt Laura. Sie hat Bilder von bestimmten Dingen aufgenommen, um zu dokumentieren, wie sie sich mit der Zeit verändern. Dabei hat sie morgens immer dieselben Menschen getroffen und einfach angefangen, sie zu grüßen.
"Und jeder, der mir entgegenkam, musste dann schon irgendwann schmunzeln, weil die Leute immer dachten: 'Ach, da kommt wieder die Frau, die mich grüßt.'"
Aus dem Grüßen wurde dann irgendwann mehr: Die Leute sind stehengeblieben und haben sich mit Laura ausgetauscht. Laura erzählt, dass sie von dem Moment an ihre Umwelt ganz anders betrachtet hat. Sie hat zum Beispiel eine Verkehrsinsel entdeckt, die in ihren Augen ganz schrecklich aussah. Sie dachte: Da muss sich was ändern.
Das war zu Beginn der Coronazeit im Jahr 2020. Damals hat sie ein
Foto dieser Verkehrsinsel bei Instagram hochgeladen und mit Photoshop
Blumen rein montiert. Sie hat dann dazu geschrieben: "Nur ein Mal tappen
und dann haben wir diese schöne Insel bepflanzt." Daraufhin kamen
Kommentare wie: "Warum tust du es nicht einfach?"
Patenschaft für Flächen im eigenen Wohnviertel
Laura hat dann bei der Stadt Mönchengladbach angefragt, ob sie für bestimmte Flächen eine Patenschaft übernehmen kann. Nach ein paar Monaten hatte sie eine Bestätigung im Briefkasten und ist dann schnell tätig geworden – hat Freunde und Familie zusammengetrommelt. Als es im Frühjahr mit dem Pflanzen losging, kamen immer mehr Nachbarinnen und Nachbarn dazu.
"Viele Nachbarn kamen dann aus ihren Häusern und meinten, ich will auch was pflanzen, ich will auch was gießen."
Seitdem koordiniert Laura das Ganze. Es wurde schon viel zusammen mit Nachbarinnen und Nachbarn gepflanzt. Sie haben Lauras Handynummer und sprechen sich mit ihr ab. Zuviel wird Laura das nicht. Sie sagt, sie trifft gerne Leute aus den Nachbarhäusern und quatscht mit ihnen. In einer anonymen Nachbarschaft zu leben, kann sie sich nicht vorstellen.
Nicht jeder will und braucht Nachbarschaftskontakte
Sebastian Kurtenbach ist Politikwissenschaftler an der FH Münster und forscht zum Thema Nachbarschaft. Er selbst sagt, dass er in einer super Nachbarschaft wohnt, weil man sich immer wieder trifft.
"Man trifft sich im Advent zum Glühweintrinken oder im Sommer zum Pizzaessen auf der Wiese."
Der Wissenschaftler erklärt aber, dass das nicht für jeden die Idealvorstellung einer guten Nachbarschaft ist. Was die ausmacht, hängt aus seiner Sicht ganz davon ab, in welcher Lebensphase sich ein Mensch gerade befindet: Wer zum Beispiel gerade als junger Mensch neu in eine große Stadt gezogen ist, braucht nicht zwingend viel Kontakt zu seinen Nachbarn. Anders sähe es oft im Alter aus: "Da möchte man vielleicht in eine Nachbarschaft, die mal guckt, wenn man sich länger nicht draußen blicken gelassen hat".
Experte: Vernetztes Viertel schafft Vertrauen
Er sieht aber auf jeden Fall einen positiven Effekt, wenn Nachbarschaft größer gedacht wird. Sie sich also nicht nur auf das eigene Haus beschränkt, sondern auch Kontakt zu Menschen in Nachbarhäusern besteht. Er spricht von einem "Vertrauen in Gesellschaft" das dann entsteht und sieht einen großen Zusammenhalt: "Man geht abends die Straße lang und hat keine Angst, dass einem was passiert." Und wenn etwas passieren sollte, könne man sich auf schnelle Hilfe verlassen.