Nach der ObdachlosigkeitDie eigene Wohnung als Lieblingsort

Nicht alle haben Glück, sich da, wo sie wohnen, zuhause zu fühlen, sagt Janita-Marja Juvonen. Die Sozialaktivistin lebte jahrelang unter einer Brücke. Sie erzählt von ihrem langen Weg ins "wohnende Leben".

"Es gibt mehrere Orte, an denen ich glücklich bin. Aber zuerst an erster Stelle ist mein Zuhause, also meine Wohnung", sagt Janita-Marja Juvonen. Das war viele Jahre nicht der Fall. Denn Janita hat auf der Straße gelebt. Inzwischen lebt sie genauso lange in ihrer "Zuhause-Wohnung", wie sie auf der Straße lebte: 14 Jahre lang.

Eine Wohnung zu finden ist nur der erste Schritt

Janita ist Sozialaktivistin, Autorin und Expertin, wie sie es formuliert, "in eigener Sache". Sie schreibt und spricht in Vorträgen und bei Stadtführungen in Essen über Obdachlosigkeit, was es für Auswirkungen hat, wenn obdachlose Menschen von öffentlichen Orten, an denen sie sich eingerichtet hatten, vertrieben werden.

"Ich habe das Privileg, dass meine Wohnung auch mein Zuhause ist. Das haben nicht alle."
Janita-Marja Juvonen, Sozialaktivistin in Sachen Obdachlosigkeit

Eine Wohnung zu finden und sich in ihr wohlzufühlen, das ist nicht selbstverständlich für viele Menschen, die auf der Straße gelebt haben, erklärt Janita. Ihr ging es auch so. Die ersten zwei Wohnungen seien eine Katastrophe gewesen. Bei der Wohnung, in der sie heute lebt, wusste sie bereits, nachdem sie nur die Diele gesehen hatte: Hier bin ich zu Hause.

Janita lebt seit 14 Jahren in ihrer Wohnung. Genauso lange hat sie auf der Straße gelebt.

Nachdem Janita eingezogen war, ging sie eine ganz Woche lang nicht raus. "Ich habe es total genossen, in einer leeren Wohnung zu sitzen und Ruhe zu haben", erinnert sie sich. Die Wohnung ermöglichte Janita noch etwas: wegzukommen vom Heroin, von dem sie schwer abhängig war. "Die Traumata, die ich erlebt habe, sind nachts hochgekommen. Deswegen konnte ich am Anfang nachts nicht in der Wohnung schlafen, sondern nur tagsüber." Die Tatsache, dass sie alleine und an einem Ort war, an dem sie sich sicher und wohl fühlte, haben ihr geholfen, diese Zeit durchzustehen, davon ist Janita überzeugt. "Mittlerweile bin ich komplett clean. Ich rauche nicht, trinke nicht und nach Meinung einiger Menschen bin ich total langweilig geworden, aber das bin ich gerne", sagt sie.

"Man sollte sich das nicht so einfach vorstellen, dass jemand von der Straße in eine Wohnung kommt und alles ist gut. Es ist ein schwieriger Weg, den viele nicht schaffen."
Janita-Marja Juvonen, Sozialaktivistin in Sachen Obdachlosigkeit

Zurück ins, wie Janita es nennt, "wohnende Leben" zu finden, sei ein langer Prozess gewesen, geprägt von Entzug, Einsamkeit und depressiven Phasen. Inzwischen hat Janita gelernt, offen mit ihrer Geschichte umzugehen und sich vor allem nicht mehr dafür zu schämen, wer sie ist und was sie erlebt hat.

Menschen ins Leben und in die Wohnung lassen

Vor drei Jahren etwa passiert dann etwas, was für Janita so etwas wie ein Wendepunkt in ihrem "wohnenden Leben" war. Sie war bereit, ihren Geburtstag mit anderen Menschen in ihrer Wohnung zu feiern. Denn bis dahin hatte nur ihr Partner ihre Wohnung betreten dürfen.

"Es war total krass", erzählt Janita "Meine Freunde, die von überall in Deutschland angereist sind, saßen plötzlich gemeinsam in meinem kleinen Wohnzimmer. Alle saßen auf dem Boden, auf dem Sofa und auf Klappstühlen. Das war echt mega, das war so richtig Zuhause."

In dem Audio erzählt Janita außerdem über Obdachlosigkeit, was es mit Menschen macht, wenn sie von öffentlichen Orten, an denen sie sich eingerichtet haben, vertrieben werden, und was der Ort, eine Brücke in Essen, an dem sie jahrelang lebte, heute für sie bedeutet.