MusikunterrichtAls Kind ein Instrument zu lernen, macht doch nicht schlauer

Die Annahme, dass es die Intelligenz von Kindern fördert, wenn sie ein Musikinstrument lernen, hält sich hartnäckig. Ein Team von japanischen und britischen Forschenden konnte das jetzt widerlegen: Es gibt also keinen Zusammenhang zwischen Musikunterricht und Intelligenzentwicklung.

Es gab immer wieder kleinere Studien, die einen kausalen Zusammenhang zwischen der Intelligenzentwicklung eines Kindes und dem Erlernen eines Musikinstruments hergestellt haben. In diesen Studien konnte scheinbar nachgewiesen werden, dass Kinder, die Musikunterricht erhalten, besser in der Schule abschneiden. Es kommt vor, dass Forschende Studiendaten falsch interpretieren.

Und genau das soll in diesem Fall auch geschehen sein, sagt ein Team von Wissenschaftlern der japanischen Fujita Health University und der London School of Economics and Political Science. Mit einer Meta-Studie, die 50 Studien aus drei Jahrzehnten ausgewertet hat, konnten die Forschenden Klarheit schaffen.

"Da ist es auch egal, wie alt die Kinder sind oder wie viel Musikunterricht sie bekommen haben."
Tina Howard, Deutschlandfunk-Nova

Insgesamt wurden für die Meta-Studie die Daten von 7.000 Kindern analysiert. Als Fazit kommen die Forschenden zu dem ernüchternden Schluss, dass der Optimismus einiger Wissenschaftler, Musikunterricht habe irgendwelche positiven Auswirkungen, sich empirisch nicht belegen lässt. Die Studienautoren gehen davon aus, dass die ausgewerteten Daten falsch interpretiert wurden.

Nur kleinere Studien stellen einen Zusammenhang fest

Die Meta-Analyse zeigte auch: Groß angelegte Studien haben in der Regel keinen Musik-Effekt nachweisen können. Bei kleineren Studien wurden zum Teil geringe Effekte, die von Studie zu Studie sehr unterschiedlich ausfallen konnten, festgestellt. Das sei auch ein Hinweis darauf, dass es an der jeweiligen Studie liege, wenn ein scheinbarer Zusammenhang hergestellt werde, sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Tina Howard.

Gleichzeitigkeit von Faktoren wirkt wie Kausalität

Wenn Kinder gut in der Schule abschneiden, muss das nicht daran liegen, dass sie Musikunterricht haben. Oft treten zwei Faktoren gleichzeitig auf, haben aber nichts miteinander zu tun.

Es ist zum Beispiel möglich, dass Kinder nicht wegen des Musikunterrichts bessere Noten haben, sondern etwa weil ihr Elternhaus viel Wert auf Leistung in der Schule legt. Oder weil die Eltern wohlhabender sind und neben Musikunterricht auch in Hausaufgabenbetreuung investieren. Oder: Ein Kind lernt im Musikunterricht, sich besser zu konzentrieren, hätte das aber genauso gut durch ein anderes Hobby, vielleicht lesen, lernen können.

Selbst aufwendige Studien können den Effekt nicht genau bestimmen

Wenn man den Zusammenhang zwischen Musikunterricht und Intelligenzentwicklung erforschen will, muss man viele Kinder – aus möglichst unterschiedlichen Haushalten und über Jahre hinweg – zum Musikunterricht schicken, die Daten dazu sammeln und auswerten. Außerdem wäre auch eine Vergleichsgruppe notwendig, die kein Instrument erlernt.

Solch aufwendigen Studien gibt es, aber selbst diese können nicht genau beurteilen, welche Entwicklungen sich ausschließlich auf die Förderung durch den Musikunterricht zurückführen lassen.

"Manche Studien stellen einen kausalen Zusammenhang her, den es in Wirklichkeit gar nicht gibt."
Tina Howard, Deutschlandfunk-Nova

Nicht die erste Studie, die den Zusammenhang widerlegt

Der Psychologe und Musikforscher Glenn Schellenberg beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema, etwa mit dem sogenannten "Mozart-Effekt": Der besagt unter anderem, dass es die Intelligenz fördere, wenn man Babys Mozart vorspielt. Schellenberg konnte nachweisen, dass es diesen Zusammenhang nicht gibt. Die Babys waren lediglich wacher und aufmerksamer, weil ihnen Musik vorgespielt worden war, meint er. Zum Vergleich spielte er Babys ein Hörbuch von Stephen King vor und erzielte damit den selben Effekt.