Das perfekte Buch für den Moment...…wenn im Treppenhaus der Putz von den Wänden bröckelt
Im Roman "Mond über Beton" erweckt die Autorin Julia Rothenburg den Häuserblock Neues Zentrum Kreuzberg zum Leben. Sie schreibt: Ein Haus ist immer das Produkt seiner Bewohner.
Häuser wie das Neue Zentrum Kreuzberg am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg leben. Sie hören und sehen alles. Die spüren jeden Nagel, den wir in ihre Wände hauen. Sie vergessen kein Gesicht und keinen Namen an irgendeinem Briefkasten.
Wer glaubt, dass Häuserblöcke wie das Neue Zentrum Kreuzberg, kurz NKZ, Bock darauf haben von seinen Bewohnerinnen und Bewohnern verschandelt zu werden, damit Touri-Hipster Fotos von Heroinspritzen im Keller und Sonnenaufgängen aus dem zwölften Stock machen können, sollte unbedingt den neuen Roman "Mond über Beton" von Julia Rothenburg lesen.
Darin erweckt die Schriftstellerin den mittlerweile fast fünfzig Jahre alten und in der öffentlichen Wahrnehmung sehr gelittenen Wohnblock zum Leben. Und weil ein Haus auch immer das Produkt seiner Bewohner*innen ist, widmet sich Julia Rothenburg ein paar von ihnen mit viel Hingabe und Liebe zum Detail.
Fiese Spiele für Youtube
Da ist zum Beispiel der alleinerziehende Vater und Gemüsehändler Mutlu. Seit seine Frau Hilal nicht mehr da ist, kann er gerade noch so viel Kraft aufbringen, um auf seine Garderobe zu achten. Was sollen die Leute sonst denken? Dass seine Söhne Bariş und Burak auf die schiefe Bahn geraten, sieht er. Aber ohne Hilal sieht er sich außer Stande, Einfluss auf die Jungen zu nehmen. Im Grunde weiß er nicht viel von den beiden, außer wie alt sie sind: elf und zwölf.
Bariş will Youtube-Star werden und lässt sich für ein paar Klicks mehr auf fiese Spiele ein. Burak hängt sich immer an andere, irgendwann an die falschen. Daran kann auch ihre große Cousine Aylin wenig ändern.
Als sie eines Tages mitansehen muss, wie der kleine, heulende Burak von der Polizei aufgegriffen und festgehalten wird, spricht sie ein ziemlich irrer Typ an, der behauptet, was beobachtet zu haben: Ein Obdachloser mit funkelnden Augen, der sich selbst Ario nennt.
Dass dieser Ario keine zwei Tage später blutend in Aylins Badewanne liegt, ist eine krasse Geschichte. Mindestens so krass wie die Sache mit der Bürgerwehr, die sich im NKZ formiert, allen voran Günther und sein Schlagstock.
Das Buch:
"Mond über Beton", Frankfurter Verlagsanstalt (FVA), 309 Seiten, Hardcover: 22 Euro, E-Book: 14,99 Euro, ET: 04.03.2021