Mitbestimmung bei der SozialversicherungOb wir die Sozialwahl brauchen
Heute ist der letzte Tag, um bei der Sozialwahl abzustimmen. Dabei geht es um die "Sozialparlamente" unsere Kranken-, Renten- und Unfallversicherung. Doch sehr viele von uns wissen gar nicht, was genau sie da eigentlich wählen dürfen. Wir schaffen Abhilfe.
Jede und jeder in Deutschland hat eine Kranken-, Renten- und Unfallversicherung. Denn diese Versicherungen sind Pflicht. Allerdings kümmert sich der Staat nicht selbst um die Versicherungen, sondern Versicherungsunternehmen machen das in seinem Auftrag: die Deutsche Rentenversicherung und eben die Kranken- und Unfallversicherungsunternehmen.
"Bei der Sozialwahl kann man das Sozialparlament von Kranken-, Renten- und Unfallversicherung mitwählen."
Alle diese Unternehmen haben ein sogenanntes Sozialparlament (bei der Deutschen Rentenversicherung heißt es "Vertreterversammlung", bei den Krankenkassen "Verwaltungsrat") – und genau das kann man bei der Sozialwahl zum Teil mitwählen. Pro Sozialparlament hat man eine Stimme.
- Bei der Renten- und Unfallversicherung können alle mitwählen.
- Bei den Krankenversicherungen kann das nur, wer in einer Ersatzkasse ist (das ist eine von sechs Kassenarten in der GKV) - dazu gehören die Techniker Krankenkasse (TK), die BARMER, die DAK-Gesundheit, die Kaufmännische Krankenkasse (KKH), die Handelskrankenkasse (hkk) und die Hanseatische Krankenkasse (HEK).
Ein Großteil der Leistungen wird zwar gesetzlich vorgegeben, erklärt Dieter Märtens, Verwaltungsratsvorsitzender der Techniker Krankenkasse. Doch es gibt ja auch die Zusatzleistungen (etwa eine Zahnreinigung) – und da bestimmt der Verwaltungsrat, welche von ihnen übernommen werden und welche nicht.
Zusatzleistungen und Mitbestimmung beim Haushalt
Der Verwaltungsrat bestimmt zum Beispiel auch über den Haushalt einer Kasse. Bei der Frage, wofür ein Versicherungsunternehmen wieviel Geld ausgibt, haben die Sozialparlamente in der letzten Amtsperiode durchaus mitgewirkt – etwa bei der Umsetzung des elektronischen Rezepts oder der Einführung der elektronischen Patientenakte.
"Die Sozialparlamente haben die Umsetzung des elektronischen Rezepts befördert, sie haben bei der Einführung der elektronischen Patientenakte stark unterstützt mit Grundsatzentscheidungen. Und sie haben eine ganze Reihe von Präventions- und Vorsorgemaßnahmen beschlossen, sodass sie in die Umsetzung kommen konnten."
Rund 52 Millionen Menschen in Deutschland sind wahlberechtigt – und werden von der Politik aufgefordert, sich zu beteiligen. Die Sozialwahl findet alle sechs Jahre statt und ist seit 70 Jahren fester Bestandteil der deutschen Demokratie.
Problem: Die Abstimmung ist kompliziert
Wir wählen allerdings keine einzelnen Menschen, sondern Listen. Dashinter stehen dann zum Beispiel Gewerkschaften (ver.di, IG Metall…) oder unabhängige Organisationen. Die Kandidat*innen auf den Listen sind jeweils selbst Versicherte bei der Deutschen Rentenversicherung Bund oder einer der fünf Krankenkassen TK, Barmer, DAK-Gesundheit, KKH oder hkk. Für uns Wahlberechtigte ist das Ganze schwer zu durchschauen – denn es gibt keinen Wahl-o-Maten im Netz – oder eine Aufzählung, wer für und gegen welche Zusatzleistungen ist.
"Man findet jetzt nicht so ne Art Wahl-o-Maten im Netz – oder eine Aufzählung, wer für und gegen welche Zusatzleistungen ist. Das ist nicht so leicht zu durchschauen."
Weil die Hürden für eine vernünftige Stimmabgabe hoch sind und viele eben gar nicht durchblicken, was sie da wählen, gibt es Kritik an der Sozialwahl – bis hin zur Forderung, sie abzuschaffen.
Vorwurf: intransparent, teuer, nicht demokratisch
Viele Menschen beklagen, dass das Ganze ziemlich intransparent sei. Und dass es sehr viel Geld kostet – es werden ja Unmengen an Wahlunterlagen gedruckt und Werbung gemacht. Die letzte Sozialwahl hat fast 60 Millionen Euro gekostet.
Dazu kommt: Wir können nur bei einigen (nämlich den größten) Sozialversicherern überhaupt mitbestimmen. Bei den kleineren Sozialversicherungen gibt es keine Wahl – da werden die 15 Kandidat*innen, die in den Verwaltungsrat einziehen, ohne unser Zutun aufgestellt. Das ist dann ja auch nicht wirklich demokratisch, bemängeln viele.
"Wir können nur bei den größten Sozialversicherern überhaupt mitbestimmen. Bei den kleineren Sozialversicherungen gibt es keine Wahl – da werden einfach 15 Kandidat*innen aufgestellt."
Arbeitsminister Hubertus Heil appelliert trotzdem an die Wahlberechtigten, ihre Stimme zu nutzen. Es gehe darum, dass "Vertreterinnen und Vertreter in den Selbstverwaltungen der Renten- und Krankenversicherungen sitzen, die ihre Alltagserfahrungen einbringen können, damit der Sozialstaat ihren Interessen gerecht wird".
Wenn euch das überzeugt, dann aber schnell – bis heute zählen die eingegangenen Stimmen noch. Den Brief abschicken wäre zu spät, aber erstmals könnt ihr bei einigen Ersatzkassen auch online abstimmen.