Nach dem AfD-Erfolg in Thüringen"Wie ein Geschichtsbuch, das man auf 1933 zurückblättert"
Nach dem Wahlerfolg der AfD werden rechte Gewalt und struktureller Rassismus noch präsenter, sagt Derya Alkan. Sie arbeitet für den Verein Migranetz in Thüringen – und hat sich bereits gefragt, ob es an der Zeit ist, wegzugehen.
Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen hat die vom Verfassungsschutz in diesen beiden Bundesländern als "gesichert rechtsextremistisch" eingestufte Partei AfD sehr gut abgeschnitten. Die Regierungsbildung gestaltet sich äußerst schwierig. Insbesondere junge Menschen haben die AfD gewählt.
Das beherrschende Thema in der politischen Diskussion: die Migration. Und das, obwohl in Thüringen und Sachsen nur relativ wenige Ausländer sowie Menschen mit Migrationshintergrund leben.
Beide Bundesländer sind verhältnismäßig klein (Thüringen; 2,1 Millionen, Sachsen: 4 Millionen Einwohner*innen).
"Es ist wie ein Geschichtsbuch, was man jetzt zurückblättert auf 1933. Wann haben die Leute dort erkannt, wann sie weggehen müssen?"
Gut 9 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund überlegen offenbar aktuell, Deutschland zu verlassen. Zu diesem Ergebnis kommt eine gerade veröffentlichte Untersuchung des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM). Die ihr zu Grunde liegenden Befragungen wurden bereits im März 2024 durchgeführt.
Reaktion: Fluchtpläne
Auch Derya Alkan hatte diese Gedanken. In den ersten Tagen nach der Wahl habe sie sogar daran gedacht, Strickleitern zu bestellen, hat sie uns erzählt – für den Fall eines Brandanschlags auf ihr Haus.
"Ich dachte, ich werde mal Strickleitern bestellen, falls unser Haus in Brand gesteckt wird".
Inzwischen hat Derya diese Ängste und Gedanken wieder beiseitegeschoben. "Die ersten Tage waren wie eine leichte Depression – doch dann fängt man wieder an, sich aufzuraffen und zu sagen: Wir bleiben hier und machen weiter."
Derya Alkan hat kurdische Wurzeln und lebt im thüringischen Kahla, südlich von Jena. Sie arbeitet für Migranetz Thüringen e.V., einen Dachverein, in dem sich Vereine für Menschen mit Migrationshintergrund, Vereine für gesellschaftlichen Zusammenhalt und religiöse Gemeinschaften gemeinsam organisieren.
Alltagsrassismus als Normalität
Sie erlebt Rassismus ganz regelmäßig im Alltag, fühlt die musternden Blicke von Mitbürger*innen in den Öffis beispielsweise: "Ich bekomme es zu spüren, wenn ich mit Menschen unterwegs bin, die biodeutsch gelesen werden. Dann fallen immer mal rassistische Narrative oder Kommentare. Und ich sehe es auch an den Blicken der Menschen in der Bahn oder so."
"Man steht unter Schock, wenn man die Zahlen sieht – und gleichzeitig ist es etwas, was man auch erwartet hatte."
Ihr Netzwerk hilft Derya Alkan mit ihren Erfahrungen mit Rassismus umzugehen. "Ich habe sehr viele Freunde mit Migrationshintergrund im Raum Thüringen, die auch sehr aktivistisch sind." Sie kämen zusammen und würden feststellen: "Wir müssen uns einfach gegenseitig stärken, empowern und supporten und immer füreinander da sein."