MigräneWenn Kopfschmerzen unser Leben beeinflussen

"Migräne schränkt meinen Alltag komplett ein", sagt Noémi. Sie lebt seit Jahren damit und beschreibt ihren Weg. Die Krankheit ist das Spezialgebiet der Medizinerin und Autorin Dagny Holle-Lee.

Jeder oder jede zweite Deutsche leidet regelmäßig unter Kopfschmerzen oder Migräne, sagt das Robert-Koch-Institut. Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer. Bei einigen sind es sehr heftige Migräneattacken, die sie komplett ausknocken.

Auch Noémi kennt das. Es kommt vor, dass sie bereits morgens mit Migräne aufwacht. In solchen Fällen nimmt sie auch schon mal Kopfschmerz- oder Migränetabletten. Allerdings achtet sie darauf, solche Tabletten nicht öfter als zehn Mal im Monat einzunehmen. Noémi sagt, sie macht es tagesabhängig: "Also wenn ich zum Beispiel Termine habe, dann hebe ich mir so die Tage dafür auf. Und wenn ich nichts vorhabe, dann tendiere ich meistens eher dazu, das dann auszuhalten."

Symptome bei chronischer Migräne

Noémi sagt, dass die Krankheit bei ihr chronisch ist. Heißt: Sie hat jeden Tag leichte Migräne. Es kommt aber auch immer wieder zu starken Migräneanfällen. Sie sagt, dass sie in solchen Fällen neurologische Ausfälle hat und es zu Sprach- oder Sehstörungen kommt: "Ich kann kaum laufen. Teilweise zuckt mein Auge. Und natürlich auch Übelkeit und sehr, sehr starke Kopfschmerzen." Sie ist während solcher Attacken auch licht- und geräuschempfindlich.

"Ich kann bei Migräneattacken nichts machen, außer in einem abgedunkelten Raum zu liegen"
Noémi, hat regelmäßig Migräneanfälle

Noémi erinnert sich, dass sie schon mit 12 oder 13 Jahren Migräneanfälle hatte. Sie ist danach bei verschiedenen Ärzt*innen gewesen. Die Diagnose kam dann mit etwa 16 Jahren. Dann wurde ihr zum ersten Mal ein spezielles Medikament gegen Migräne verschrieben: "Das war voll der Gamechanger für mich, endlich was zu haben, was dagegen hilft."

Mit Beginn des Studiums wurde die Migräne aber immer schlimmer. Noémi wollte eine Schmerztherapie machen. Das Problem: Ihre Hausärztin hat Noémis Symptome nicht wirklich ernst genommen: "Sie meinte zu mir, das ist doch was für Leute, die wirklich richtig krank sind, für Krebspatient*innen oder so." Noémi konnte sie aber doch überzeugen, ihr eine Überweisung zu geben. In einem Kopfschmerz-Zentrum hat Noémi dann Hilfe gefunden.

"Das würde ich jedem empfehlen, zu Kopfschmerz- und Migränespezialist*innen zu gehen. Da fühle ich mich richtig wohl und bekomme die Hilfe, die ich brauche."
Noémi, hat regelmäßig Migräneanfälle

"Migräne schränkt im Alltag ein"

Noémi sagt, dass die Migräne ihren Alltag stark beeinträchtigt: "Ich muss auf sehr viele Sachen präventiv achten. Also auf meine Ernährung, auf meinen Schlaf. Ich muss versuchen, nicht zu gestresst zu sein. Und dann gibt es diesen Klassiker: Ich habe mich auf irgendetwas gefreut und kriege eine Migräneattacke und muss es dann absagen. Das ist schon sehr anstrengend und nervig."

Inzwischen sind die Reaktionen aus Noémis Umfeld verständnisvoll. Das war nicht immer so. "Ich habe mir da schon viel anhören müssen", sagt Noémi. Auch von ihrem früheren Partner.

"Ich war zum Beispiel auch in einer Beziehung, wo mein Partner sauer auf mich war, wenn ich Migräne hatte, und es gar nicht verstanden hat."
Noémi, hat regelmäßig Migräneanfälle

Das Gute ist: Wenn Noémi heute mit Freunden unterwegs ist und merkt, dass eine Migräneattacke im Anmarsch ist, dann weiß sie inzwischen, was ihr direkt helfen kann. Dazu gehört, die Reize abzuschirmen: "Vielleicht kann man mir helfen, einen ruhigeren Ort zu finden, wo weniger Geräusche sind und vielleicht nicht so helles Licht."

Typischer Tipp: Glas Wasser trinken

Auch Noémi hat oft gehört, dass sie einfach Wasser trinken soll. Präventiv kann das zwar helfen, meint sie. Wenn die Migräneattacke aber schon da ist, bringt ihr das auch nicht mehr viel. Was ihr aber in der Regel hilft, ist Koffein: "Ich habe immer Cola zu Hause und Kaffee. Sonst habe ich auch Pfefferminzöl, was ich mir auf die Schläfen schmiere." Und auch wenn sie Tabletten gegen die Migräneattacke nimmt, kühlt sie ihren Kopf mit Kühlpacks oder macht sich eine Wärmflasche.

Unterschied zwischen Migräne und starken Kopfschmerzen

Kopfschmerzen haben viele – mal stärker, mal schwächer. Aber wann sprechen Fachleute eigentlich von Migräne? Dagny Holle-Lee ist Oberärztin der Klinik für Neurologie und leitet das Westdeutsche Kopfschmerzzentrum Essen und das dortige Schwindelzentrum. Sie sagt, dass es keine normalen Kopfschmerzen gibt: "Das, was die meisten für normale Kopfschmerzen halten, ist meistens schon eine Migräne."

"Wenn das so ein Kopfschmerz ist, der einen beeinträchtigt, dann macht es schon Sinn zu schauen, ob es nicht doch eine Migräne ist."
Dagny Holle-Lee, Medizinerin und Autorin

Fachleute sprechen von einer chronischen Migräne, wenn jemand mehr als 15 Tage im Monat Kopfschmerzen hat – und an acht Tagen davon sind die Kriterien für Migräne erfüllt:

  • Lichtempindlichkeit
  • Lärmempfindlichkeit
  • Ruhebedürnis

Etwa 20 Prozent der Migränepatient*innen leiden unter Sehstörungen wie einem Flimmern oder Flackern, sagt die Medizinerin. In ernsteren Fällen kommt es aber auch zu Sprachstörungen und Lähmungen.

Das passiert bei einer Migräneattacke im Gehirn

Was genau im Gehirn abläuft, wenn es zu einem Migräneanfall kommt, ist bis heute nicht im Detail geklärt. Es wird aber davon ausgegangen, dass die sogenannte Neuroinflammation dabei eine Rolle spielt, erklärt Dagny Holle-Lee: "Das heißt, es kommt zu einer Entzündung im Gehirn, und zwar an ganz verschiedenen Stellen im Hirnstamm, aber auch an den Hirnhäuten. Und im Prinzip kommt es zu einem Sturm von Neurobotenstoffen, die alle auf einmal feuern. Und dann entsteht eine Riesenentzündung, und die verursacht dann die Schmerzen."

"Man kommt schon mit einem Migränegehirn auf die Welt"

Laut der Medizinerin liegt Migräne in der Familie. Heißt: Betroffene kriegen die Veranlagung dazu von Mutter oder Vater vererbt. "Man kommt schon mit einem Migränegehirn auf die Welt", sagt Dagny Holle-Lee. Wie die Migräne verläuft, sei dann aber doch sehr individuell. Und es kann auch vorkommen, dass die Krankheit Generationen überspringt.

Es müssen nicht immer Migränemedikamente sein

Die Medizinerin sagt, dass es in einigen Fällen nicht ohne Migränemedikamente geht. Betroffene könnten aber auch auf nicht-medikamentöse Maßnahmen zurückgreifen, etwa um der Migräne vorzubeugen. Dazu gehört:

  • Ausdauersport
  • Stressreduktion
  • Entspannungsverfahren
  • Regelmäßigkeit im Alltag
In der Migräneattacke kann es der Ärztin zufolge helfen, sich hinzulegen oder einen starken Kaffee zu trinken. Bei einigen Betroffenen sei auch Ingwertee ein gutes Mittel, insbesondere gegen Übelkeit.