KarnevalSexuelle Belästigung trotz #MeToo
An Karneval wird gefeiert, getrunken und gebaggert. Angesichts der #MeToo-Debatte sollte allen klar sein: Nähe geht nur in gegenseitigem Einvernehmen. Doch ganz so logisch ist das offenbar nicht. Viele Frauen haben gerade im Karneval das Gefühl, sie müssten besonders gut auf sich aufpassen. Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Kerstin Ruskowski hat in Köln mit Karnevalisten genau darüber gesprochen.
Am Barbarossaplatz in Köln dröhnt um halb zehn vormittags Karnevalsmusik aus den Lautsprechern einer Bäckerei. Die Verkäuferin trägt ein Clownskostüm und reicht einem Frosch seine Brötchentüte. Dessen Kumpel im Pilotenkostüm hat schon die erste Flasche Bier im Anschlag. Die Leute feiern ausgelassen, Schunkeln und Rumknutschen gehört für viele zum Karneval dazu. Daran hat auch die #MeToo-Debatte nicht viel geändert, stellt Kerstin Ruskowski fest, nachdem sie mit einem Mann gesprochen hat, der als Justin-Bieber-Fanboy verkleidet ist. Für ihn ist Karneval einfach Karneval - #MeToo hin oder her - und da will er Spaß haben.
"Och, glaub ich nicht. Karneval ist Karneval."
Lars flirtet und knutscht gerne an Karneval. Dabei ist es für ihn wichtig, dass beide damit einverstanden sind. Einfach so würde er jetzt nicht losküssen.
"Wenn jemand das überhaupt nicht will, das würde ich merken. So viel Sozialkompetenz würde ich mir zutrauen."
Frauen müssen im Karneval auf sich aufpassen
Rachel und Verena feiern gerne Karneval, trotzdem haben sie schon schlechte Erfahrungen gemacht. Sie sagen, dass es fast normal sei, wenn ihnen ein fremder Mann ungefragt an den Po packt. Darum sind sie beide der Ansicht, dass Frauen in den Karnevalstagen besonders gut auf sich aufpassen müssen.
"Als Frau muss man immer aufpassen. Wir haben auch heute ausgemacht, dass wir aufeinander aufpassen. Ich habe ein Pfefferspray dabei."
Zum Glück mussten die beiden das Pfefferspray bisher noch nicht benutzen. Vielleicht liegt das auch daran, dass dieses Jahr in Köln viel mehr Polizisten im Einsatz sind als in den Jahren zuvor. Das trägt auf jeden Fall dazu bei, dass Rachel und Verena sich sicherer fühlen. Allein auf dieses gute Gefühl wollen sich die beiden aber nicht verlassen. Sie gehen zum Beispiel nie nur zu zweit an Karneval raus sondern immer in einer größeren Gruppe.
Männer dürfen saufen, Frauen nicht?
Während Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Kerstin Ruskowski in Köln unterwegs ist, trifft sie auch Martina. Die findet, dass manche Frauen gerade in der Karnevalszeit ziemlich nachlässig unterwegs sind. Frauen seien auch selbst dafür verantwortlich, wenn sie in unschöne Situationen kommen, weil sie so viel Alkohol getrunken haben, dass sie am Ende nicht mehr zurechnungsfähig seien. Gerade Frauen, sagt Martina, sollten in der Karnevalszeit besonders auf sich aufpassen - auch beim Alkoholkonsum.
"Da sieht man auch Frauen, die dann betrunken, breitbeinig im Kleid mit dem Rücken an der Wand lehnen. Das ist natürlich ein bisschen irre, wenn sich die Frauen dann abschießen."
Ob sie es ok findet, wenn Männer im Karneval bis zur Besinnungslosigkeit saufen oder Frauen ohne deren Einverständnis angrabbeln, dazu sagt Martina leider nichts. Dabei sollten wir doch aus der #MeToo-Debatte zumindest diese eine Sache gelernt haben: Wir sollten endlich damit aufhören, Frauen zu sagen, sie seien selbst schuld, wenn sie zum Beispiel aufgrund von zu hohem Alkoholkonsum negative sexuelle Erfahrungen machen. Schließlich gehören zu so einer Situation immer zwei Personen.
Kerstin Ruskowski trifft auch noch einen als Pirat verkleideten Karnevalisten. Er ist seit zwei Wochen Single und kann sich gut vorstellen, im Karneval eine Frau kennenzulernen. Allerdings muss die Chemie zwischen beiden stimmen, sagt er, sonst komme das für ihn nicht infrage.
"Für mich ist sowieso wichtig, dass ich mich mit jemandem, mit dem ich vielleicht irgendwann später des Abends mal was haben werde, gut verstehe."
Nähe nur in gegenseitigem Einvernehmen
Auf ihrer Tour durch den Kölner Karneval hat Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Kerstin Ruskowski nicht den Eindruck gewonnen, dass die #MeToo-Bewegung in der jecken Zeit besonders nachhallt. Im Gegenteil: Die Frauen, mit denen sie gesprochen hat, verlassen sich nicht darauf, dass Männer sich jetzt achtsamer verhalten. Sie passen stattdessen lieber auf sich selbst auf. Dabei könnte es doch so einfach sein: Körperliche Nähe findet immer nur in gegenseitigem Einvernehmen statt. Egal ob an Karneval oder zu einer anderen Jahreszeit.