GesundheitWarum Biozide in Periodenunterwäsche umstritten sind
Neben Binden, Tampons und Menstruationstassen, gibt es inzwischen auch ein breites Angebot an Periodenunterwäsche. Manche Hersteller werben damit, dass ihre Unterwäsche antibakteriell oder geruchshemmend sei – oft kommen dafür Biozide zum Einsatz. Und genau die sind umstritten.
Menstruationsunterwäsche ist eine nachhaltige Alternative zu Binden oder Tampons. Die Unterhosen können Menstruierende nämlich waschen und dann wieder tragen – wie andere Unterwäsche auch. Menstruationspanties funktionieren ähnlich wie ein Slip mit integrierter Binde: Im Schritt ist die Hose durch mehrere Schichten verstärkt, die das Blut aufnehmen.
Biozide gegen Vermehrung von Bakterien
Durch die Kombi aus feucht und warm kann die Unterwäsche für Menstruierende jedoch auch als Nährboden für Bakterien dienen. Manche Herstellerfirmen setzen bei ihrer Periodenunterwäsche daher Biozide ein. Die Mittel sollen verhindern, dass sich die Bakterien vermehren. Denn: Die meisten Modelle sollen nur bei 30 bis 40 Grad in die Waschmaschine kommen, weil höhere Temperaturen die saugfähige Schicht der Slips zerstören könnten. Wie viele Bakterien durch die Waschtemperatur in der Periodenunterwäsche zurückbleiben, ist derzeit unklar.
Das Label Ooia setzt daher zum Schutz auch Biozide ein, sagt Gründerin Kristine Zeller. Sie hätten sich von Expertinnen und Experten beraten lassen. Und die hätten ihnen empfohlen, die Mittel zu verwenden, damit sich die Bakterien nicht vermehren können. Weil die Biozide tief im Kern der Panty sitzen, würden sie keinen Kontakt mit der Haut bekommen und auch nicht in den Genitalbereich wandern, so Kristine Zeller. Denn das wollten die Gründerinnen für ihre Produkte ausschließen.
Debatte der Gegensätze
Der Einsatz von Bioziden ist umstritten. Weil sie wirksam gegen Pilze, Bakterien und andere Schädlinge sind, werden sie zum Beispiel für Desinfektionsmittel benutzt. Es wird aber auch diskutiert, dass Biozide einen negativen Einfluss auf den Menschen haben können, erklärt Suna Nicolai vom Bundesinstitut für Risikobewertung.
In der Debatte gehe es zum Beispiel um mögliche Allergien oder um den Einfluss der Biozide auf die mikrobielle Flora der Haut, also die guten Bakterien. Es ist auch im Gespräch, "dass es beim häufigen Kontakt mit Bioziden passieren kann, dass Antibiotika nicht mehr wirken, weil beide auf Bakterien wirken", sagt sie.
Fehlende Hinweise auf Biozide
Mittlerweile werben oft auch Hersteller nachhaltiger Kleidung damit, ihre Produkte – wie die Menstruationsunterwäsche – sei antibakteriell oder geruchshemmend. Ooia-Gründerin Kristine Zeller sieht hierin ein Problem. Denn die Hersteller würden häufig nicht kenntlich machen, wie sie die Geruchsneutralität der Periodenunterwäsche erreichen. "Gerade in diesem Bereich gibt es Hersteller*innen, von denen wir wissen, dass sie Nano-Silber verwenden", sagt sie.
"Wir sehen viele Hersteller, die Worte wie 'geruchsneutrailisierend' verwenden, aber nicht kenntlich machen, wie sie das erreichen. Das finden wir sehr problematisch."
Übergangsfrist für ältere Biozide
Nach einer neuen EU-Biozid-Verordnung müssen Biozide ein zweistufiges Zulassungsverfahren durchlaufen. Das soll prüfen, ob die Mittel wirksam und auch unbedenklich sind.
Manche Biozid-Wirkstoffe wie das Silberchlorid gelten aber als sogenannte Alt-Wirkstoffe. Das bedeutet: Sie waren schon vor der neuen EU-Verordnung auf dem Markt und haben eine Übergangsfrist. Bis zu ihrer Prüfung dürfen sie weiter zum Einsatz kommen, erklärt Suna Nicolai vom Bundesinstitut für Risikobewertung. Und Silberchlorid wurde eben noch nicht geprüft. Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt daher, allgemein auf Biozide in Textilien zu verzichten und Unterwäsche grundsätzlich bei 60 Grad zu waschen.
Biozide in Periodenunterwäsche weglassen
Manche Expertinnen und Experten halten einen bakterienhemmenden Effekt in Menstruationsunterwäsche gar nicht für notwendig, wie der Gynäkologe Werner Mendling. Er gilt als einer der führenden Expert*innen für gynäkologische Infektiologie in Deutschland.
Sind die Menstruierenden gesund und achten auf ihre Hygiene, sieht er in Menstruationspantys ohne Biozide keine Gefahr. "Dann müsste im Grunde genommen jede Unterwäsche mit Silberionen versetzt werden, damit der Mensch gesund bleibt", sagt er. Zumal die Bakterien in der Scheide von Menstruierenden natürlich sind und der Körper ständig mit ihnen umgeht. Der gesunde Organismus kommt also mit ihnen klar, sagt er.
"Die Bakterien, die eine Frau in ihrer Scheide hat, sind ihre eigenen. Mit ihnen ist sie sowieso jeden Tag konfrontiert. Bei den üblichen Hygienemaßnahmen während der Menstruation halte ich Silberionen nicht für erforderlich."