Reise in die VergangenheitAls wir die Umwelt noch für unzerstörbar hielten

Wir begeben uns in die 1950er Jahre und senden zum zehnten Geburtstag des Hörsaals unsere "Erstlingswerke". Soziologe Helmuth Plessner und Philosoph Arnold Gehlen widmen sich 1951 der Beziehung von Mensch und Umwelt. Ein Hörsaal, der im Jahr 2020 ganz anders klingen würde: Damals definierten sie die Natur als eine Gewalt, die aus sich heraus agiere.

Zum zehnjährigen Geburtstag des Hörsaals haben wir unsere "Erstlingswerke" noch einmal zusammengestellt. Deutschlandfunk Nova, ehemals DRadio Wissen, sendete sie einen Tag nach unserem Programmstart am 19. Januar 2010.

Es geht um die Vorträge des deutschen Soziologen Helmuth Plessner und des Philosophen Arnold Gehlen zum Thema "Das Problem der menschlichen Umwelt", die sie am 3. und 4. Dezember 1951 hielten. Denn, 2010 begann der "Hörsaal" zunächst mit solchen Vorträgen aus dem Archiv, erst später stießen auch aktuelle Vorträge aus Universitäten dazu.

Natur als Allmacht

Interessant und fast 70 Jahre nach der wissenschaftlichen Aufarbeitung durch die beiden Forscher deutlich spürbar: Die Natur wird von ihnen noch als recht "allmächtig" angesehen. Zwar führen sie auch schon die Eingriffe des Menschen in die Umwelt an, das bezieht sich jedoch auf ziemlich harmlos klingende Handlungen, wie dem Herstellen von Instrumenten oder dem Benutzen von Werkzeugen.

Die Natur wird noch als eine Gewalt definiert, die ausschließlich aus sich selbst heraus agiert. Für die Forscher waren die Auswirkungen des Klimawandels, wie sie sich uns heute darstellen, noch unvorstellbar.

"So sind gerade die sensibelsten Naturen am meisten auf die klimatischen und stimmungshaften Eigenschaften der Natur am stärksten angewiesen."
Arnold Gehlen, Philosoph

Zwar sprechen die Wissenschaftler an, dass der Mensch nicht nur der Geborgene innerhalb seiner Umwelt sei, sondern auch deren Schöpfer. Allerdings werden mit keinem Wort die negativen Folgen erwähnt, die wir heute kennen.

Das Umweltverständnis, zumindest von Helmuth Plessner, bezog sich damals noch sehr stark auf das soziale Milieu. So befasste sich der Soziologe intensiv mit Phänomenen, die dort auf den jeweiligen Menschen einströmen. Und auch das ist interessant: Schon damals wurde in diesen Milieus von Reizüberflutung gesprochen.

"Er muss, um diese Überflutung der Reize irgendwie abzublenden, ständig schützende Hüllen ersinnen."
Helmuth Plessner, Soziologe

Helmuth Plessner erklärt in seinem Vortrag, dass ausschließlich der Mensch mit Reizüberflutungen zu kämpfen habe – Tiere nicht. Der Grund: Sie nehmen nur das aus der Umwelt wahr, was für sie in einer speziellen Situation lebenswichtig ist, anders als wir. Arnold Gehlen beschreibt dieses Verhalten so: "Das Eichhörnchen und der Käfer auf demselben Baum existieren gar nicht füreinander". Sind wir also gestresst, weil wir weltoffen sind?