Medienzensur in RusslandDer Krieg, den es nicht geben soll
In der Ukraine ist Krieg. In Russland darf das aber keiner so nennen. Durch Medienzensur und Internetsperren wird es den Menschen dort immer schwieriger gemacht, sich unabhängig und frei zu informieren. Das Problem gibt es aber nicht nur in Russland. Seit 2001 ist der 12. März ein Aktionstag gegen Internetzensur.
Die Medienlage in Russland sei derzeit katastrophal, sagt Lisa Dittmer, Referentin für Internetfreiheit bei der NGO "Reporter ohne Grenzen". Zentrale Webseiten seien einfach blockiert worden, unabhängige Zeitungen und News-Sites hätten die Kriegsberichterstattung eingestellt, manche hätten das Land ganz verlassen. Viele Journalistinnen und Journalisten würden fliehen.
Es gebe gerade sehr viele Unterstützungsangebote für Journalisten in der Ukraine. Doch vor allem in Russland hätten Journalistinnen und Journalisten gerade ein besonders hohes Risiko, wenn sie ihrer Arbeit uneingeschränkt nachgehen würden.
"Das freie Netz, so wie wir es kennen, ist in Russland nicht verfügbar."
Der Internetzugang für die Menschen in Russland sei gerade extrem eingeschränkt: Facebook sei down und Twitter stark verlangsamt und damit praktisch nicht nutzbar. Derart drastische Schritte habe man in Russland so noch nicht erlebt.
Infos über Telegram und Youtube
Bei Youtube hingegen sei bisher interessanterweise noch nicht alles konsequent gesperrt worden, so die Referentin. In Russland sei die Plattform äußerst wichtig als Nachrichtenquelle, gerade für unabhängige russische Blogger und Vlogger, die Interviews auch mit unerwünschten Personen führen.
Vielleicht ändert sich das allerdings sehr bald: Am 11.03.2022 hat Youtube seinerseits nämlich die Kanäle russischer Staatsmedien wie RT und Sputnik weltweit gesperrt. Weil sie den Ukraine-Krieg leugnen. Die Unternehmensrichtlinien "verbieten Inhalte, die gut dokumentierte gewalttätige Ereignisse leugnen, verharmlosen oder trivialisieren", erklärte die Plattform in einer Stellungnahme.
Der Druck auf Putin wächst. Denn gleichzeitig ist Kritik am Vorgehen Russlands bis ins russische Staatsfernsehen durchgedrungen.
"Facebook ist down in Russland. Und Twitter stark verlangsamt und damit praktisch nicht nutzbar. Youtube und Telegram laufen noch."
Auch Telegram sei eine der wenigen noch nutzbaren Infoquellen, die sehr fleißig genutzt werde. Russland habe zwar tatsächlich schon einmal versucht, Telegram zu verbieten. Doch zum einen sei es technisch relativ schwer, den Dienst zu blockieren, sagt Lisa Dittmer.
Und zum anderen sei es natürlich auch ein "Balanceakt": Die russische Regierung wolle sich sozusagen nicht alle Möglichkeiten nehmen, der eigenen Bevölkerung vorzugaukeln, dass sie noch ein Mindestmaß an Freiheit hat. Wohl auch deshalb seien Youtube und Telegram noch nicht komplett gesperrt, glaubt die Referentin von Reporter ohne Grenzen.
Druck auf Telekommunikationsanbieter
Russland baue seine Zensur-Infrastruktur allerdings immer weiter aus und übe großen Druck auf die Telekommunikationsanbieter aus: Der Staat könne in Russland einfach so bei den Anbietern anfragen, welche Nutzerin oder welcher Nutzer sich hinter einer IP verbirgt. Große Netzwerke seien deshalb gezwungen worden, Server in Russland zu verwenden. Einige hätten sich deswegen schon zurückgezogen aus Russland, LinkedIn zum Beispiel. Alle Plattformen ständen vor der Frage: mitmachen, sich wehren oder den Dienst ganz einstellen?
Zensur umgehen mit VPN und Tor
Reporter ohne Grenzen beobachte derzeit einen massiven Zulauf zu VPN-Diensten. Damit lässt sich das Geoblocking umgehen, um dann über internationale Server Zugriff auf das freie Netz zu haben. Das Problem dabei: Die Nutzenden müssen dem Versprechen der VPN-Dienstanbieter vertrauen, die eigene Anonymität und den Schutz der Daten auch wirklich zu gewähren, sagt Lisa Dittmer. Es gebe nämlich eben auch VPN-Dienste, die den behördlichen Vorgaben nachkommen und entsprechend Nutzerdaten herausrücken könnten.
Russland bekämpfe die VPN-Anbieter, aber es gebe weiterhin Anbieter, die dem Druck nicht nachgeben. Das VPN „Proton“ zum Beispiel aus der Schweiz sei kostenlos. Manche VPN-Dienste kosten allerdings Geld – und da in Russland inzwischen viele Zahlungsmethoden eingeschränkt sind, wird das zum echten Problem.
"Wir beobachten einen massiven Zulauf zu VPN-Diensten. Und die zweite Möglichkeit ist der Tor-Browser."
Die zweite Möglichkeit sei der Tor-Browser, den die meisten Menschen nur als Eingang ins Darknet kennen. Dieser Browser sei eine der wichtigsten Methoden für Verfolgte weltweit, auch für Journalistinnen und Journalisten, um anonym zu recherchieren, anonym Kontakt aufzunehmen und Daten zu teilen und verschlüsselt nach unabhängigen Informationen zu suchen. Und genau das werde momentan auch für ganz normale Russinnen und Russen immer wichtiger.
Ukraine: Internetzugang noch normal
In der Ukraine funktioniere der Internetzugang in den meisten Regionen des Landes noch normal. Es gebe keine Zensur. In den von Russland eingenommenen Gebieten hingegen würden Medien und deren Infrastruktur angegriffen. Beispiel: Der Fernsehturm in Kiew.