Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen"Die Dominanz der Lauten muss gebrochen werden"
Die Taten von Hanau sind in ein aufgeheiztes, gesellschaftliches Klima eingebettet. Meinung geht vor Verstehen. Außerdem hören wir einander kaum zu, die lauten Teile des Publikums werden immer dominanter. Es ist Zeit für eine neue Form des Dialogs. Dazu hat der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen ein paar Ideen.
"Wir kleistern alles mit Antworten zu", sagt Bernhard Pörksen. Der Medienwissenschaftler ist Professor an der Uni Tübingen und beschäftigt sich schon lange damit, wie Kommunikation in einer Mediendemokratie funktioniert oder nicht funktioniert. Oftmals, so einer seiner Kritikpunkte, seien die Fragen noch gar nicht klar, da würden aber schon Antworten gegeben. Von Politik und Medien gleichermaßen. "Doch Wahrheit braucht Zeit", so Pörksen. Eine Sprache der Mäßigung sei daher angebracht.
"Es macht einen Unterschied, wie wir miteinander sprechen – gerade öffentlich."
Das schnelle Tempo und die damit verbundene Atemlosigkeit sei dabei nur ein Mechanismus der "eskalierenden Kommunikation". Die funktioniere immer nach ähnlichen Regeln und Mustern, sagt Bernhard Pörksen. Neben der Sofortreaktion spiele die pauschale Abwertung anderer Meinungen eine zentrale Rolle. Außerdem werde die eigene Position oftmals als die alleinige und absolute Wahrheit aufgewertet. So würden sehr schnell alle kommunikativen Fronten verhärtet. "Es kann kein echter Dialog mehr stattfinden. Stattdessen ist die öffentliche Debatte mit vorher festgelegten Standpunkten aufgeheizt", sagt der Medienwissenschaftler.
"Es geht nicht um eine programmatische Debatte um Inhalte, sondern nur um eine möglichst laute Polarisierung."
Dabei sei Dialog gar nicht immer sinnvoll, sagt Bernhard Pörksen. Man müsse nicht immer und unter allen Umständen mit jedem reden. "Die Öffnung des kommunikativen Raums hat auch jede Menge Dreck emporgespült", sagt er. Sei es vor 20 Jahren zum Beispiel noch schwierig gewesen, antisemitische Verschwörungstheorien zu recherchieren, sei das heute mit drei Klicks erledigt. Dialog ergebe nur dann Sinn, wenn sich auch wirklich alle Beteiligten darauf einließen. "Wir stehen vor der Herausforderung: Muss es nicht in Teilen eine Ignoranz des Idioten geben?" Das kann zum Beispiel bedeuten, eher den Opfern von Anschlägen Namen und Gesichter zu geben als dem Täter.
"Wir diskutieren zu wenig programmatisch."
Wie ein echter Dialog noch gelingen kann, darüber hat sich Bernhard Pörksen zusammen mit dem Kommunikationspsychologen Friedemann Schulz von Thun in einem Buch Gedanken gemacht: "Die Kunst des Miteinander-Redens".
In Eine Stunde Talk erzählt Bernhard Pörksen, wie eine respektvolle Konfrontation gelingen kann, warum er sich als melancholischer Medienkritiker bezeichnet und warum er Optimist geblieben ist.