Machtwechsel in UKKeir we go
Nach dem Erdrutschsieg der Labour-Partei hat Großbritannien einen neuen Premier: Keir Starmer. Der gilt als Mr. Boring, verspricht aber, das Land grundlegend zu verändern. Kann er sein Versprechen umsetzen?
Seine Mehrheit im Parlament ist jedenfalls sicher: Keir Starmer wird Großbritannien ganz ohne Koalitionspartner regieren können. Seine Labour-Partei hat die Wahl zum britischen Unterhaus am 4. Juli 2024 vor den konservativen Tories und seinem Amtsvorgänger Rishi Sunak klar gewonnen.
411 Sitze für Labour, 121 für die Konservativen und 71 für die Liberal Democrats. Insgesamt sind voraussichtlich 15 Parteien im Unterhaus vertreten. Darunter mit fünf Sitzen auch die rechtspopulistische Partei Reform UK von Nigel Farage.
"Es gab in einem Jahr drei Premierminister, die haben sich gegenseitig gemeuchelt."
Statt des Wahlsiegs von Labour ist eher die deutliche Niederlage der Tories hervorzuheben, findet Deutschlandfunk-Korrespondentin Christine Heuer. Sie sagt: "Eigentlich werden Wahlen in der Politik häufig eher verloren als gewonnen."
Die Konservativen hätte sich offenbar mehr mit sich selbst – mit Skandalen und Lügen – als mit politischen Aufgaben beschäftigt. Weder das Gesundheitssystem noch die hohen Lebenshaltungskosten und die Migration seien die Tories überzeugend angegangen.
"Die Menschen haben die Tories eher abgewählt als die Sozialdemokraten in die Macht gewählt zu haben."
Keir Starmer stehe schon mit in seiner Persönlichkeit für eine Abkehr von dem, was Großbritannien mit den Torie-Premiers Boris Johnson und Liz Truss erlebt habe. Christine Heuer weist darauf hin, dass der neue Premierminister Jurist ist und aus kleinbürgerlichen Verhältnissen kommt, einen Working-Class-Hintergrund hat. "Er war der erste in der Familie, der studiert hat", erläutert sie.
Kleinbürger statt Multimillionär
Anders als beim Multimillionär Rishi Sunak sei anzunehmen, dass Keir Starmer sich in die finanziellen Alltagssorgen – Stichwort Inflation – vieler Menschen einfühlen könne.
"Viele trauen ihm zu, dass er den Job angesichts der vielen Herausforderungen des Landes gut erfüllen kann."
Maurice kennt die britischen Verhältnisse. Er lebt in Oxford, wird dort in Politikwissenschaft promoviert und kommt ursprünglich aus Deutschland. Für sein College-Zimmer im Wohnheim bezahlt er rund 700 Pfund im Monat. "Der Wohnungsmarkt ist für viele junge Leute eins der Top-Themen, weil wir im Vergleich zu anderen Ländern in Europa viel, viel mehr zahlen", sagt Maurice.
Zwar werde Keir Starmer weder von heute auf morgen die Wirtschaftsleistung ankurbeln noch die Probleme auf dem Wohnungsmarkt lösen, aber grundsätzlich gebe es eben viele Wählerinnen und Wähler, die es dem neuen Premier auf längere Sicht zutrauen.
Mit dem Gesundheitssystem hat er selbst zwar keine Probleme, weiß aber, dass viele ältere Menschen und deren Angehörige Schwierigkeiten mit der medizinischen Versorgung haben. "Einen Hausarzttermin zu bekommen, ist kein Problem. Aber einen Spezialisten zu sehen, das ist schwierig und genauso auch OPs et cetera", sagt Maurice.
Ebenfalls sei klar, dass das Vereinigte Königreich unter Keir Starmer weder eine Rückkehr in die EU noch eine Wirtschaftsunion mit der EU anstreben werde.
"Diese wenigen Sitze geben nicht wieder, dass sehr viele Briten und Britinnen Reform UK gewählt haben."
Apropos Brexit: Mit Nigel Farage ist auch einer der deutlichsten Befürworter ins Unterhaus gewählt worden. Zwar hat seine Partei Reform UK nur fünf Sitze, aber doch 14,3 Prozent der Stimmen erhalten. Christine Heuer vergleicht die Partei mit der AfD in Deutschland. Auch das Wahlergebnis von Reform UK gleiche dem der AfD – bezogen auf Westdeutschland jedenfalls.