MachtWie viel Politik noch gestalten kann

Klimakrise, Kriege und soziale Ungleichheit – kann die Politik die großen Fragen unserer Zeit lösen? In seinem Vortrag erklärt der Historiker Martin Sabrow, warum unserer Gesellschaft die Zukunftsperspektive verloren gegangen ist.

Heizungsgesetz, Haushalt oder Kindergrundsicherung ... die erste Ampel-Koalition der Bundesrepublik streitet oft. Vielleicht sind drei Parteien zu viele, vielleicht sind Grüne und FDP zu unterschiedlich – in jedem Fall bleibt der Eindruck, die Ampel stecke mehr Energie in Machtkämpfe als in die eigentliche Regierungsarbeit.

"Wir spüren doch alle, dass die Gestaltung und Regelung unseres Gemeinwesens sich in Deutschland und in der westlichen Welt grundlegend und einschneidend gewandelt haben."
Martin Sabrow, Historiker

Dass die Politik an Steuerungskraft verliert, ist jedoch kein neues Phänomen, sagt der Historiker Martin Sabrow. Er ist Sprecher des Leibniz-Forschungsverbunds "Wert der Vergangenheit", der am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam koordiniert wird.

Was jedoch neu ist, ist eine veränderte Wahrnehmung der Politik und ein Wandel der politischen Kultur, erklärt der Historiker in seinem Vortrag. Für diesen Wandel führt Martin Sabrow drei Gründe an.

"Heutige Regierungskoalitionen binden politische Strömungen zusammen, die in der bundesdeutschen Geschichte gewöhnlich in Opposition zueinander standen und stehen."
Martin Sabrow, Historiker

Erstens sei unserer Gesellschaft die Zukunftsperspektive verloren gegangen. Der Klimawandel und andere aktuelle Krisen führten dazu, dass wir uns nicht mehr auf eine positive Zukunft verlassen könnten. Dieser Verlust der Fortschrittskategorie hat Konsequenzen für das politische Handeln, sagt der Historiker.

Wandel der politischen Kultur

Der zweite Grund liegt in einer Individualisierung und Zersplitterung der Gesellschaft, sagt Martin Sabrow. Und schließlich seien auch die verunsichernden Umbruchserfahrungen unserer Zeit mitverantwortlich für den Wandel der politischen Kultur.

Der Krieg in der Ukraine habe beispielsweise dazu geführt, dass sich Sinnhorizonte verschoben hätten, was gestern noch als richtig erschien, kann morgen plötzlich falsch sein.

Martin Sabrow ist Historiker am Zentrum für zeithistorische Forschung in Potsdam. Seinen Vortrag "Verliert die Politik an Steuerungskraft? Beobachtungen zum Wandel des Politischen in der Gegenwartsgesellschaft" hat er am 2. September im Rahmen der Sommeruni der Berliner Akademie gehalten.