Kriminalpsychologin Lydia Benecke"Es gibt keine Vermisstenfälle, für die ich keine rationale Erklärung habe"
Es sind Fälle wie die von Maddie McCann und Rebecca Reusch, die uns nicht loslassen. Menschen verschwinden scheinbar spurlos und niemand kann sich erklären, wo sie sind.
In Foren und auf Social Media werden sie heiß diskutiert: Vermisstenfälle, die polizeilich nicht aufgeklärt werden konnten. Dabei sind auch Verschwörungsmythen immer wieder Thema. Kriminalpsychologin Lydia Benecke sagt allerdings, dass es für alle Fälle rationale Erklärungen gebe.
"Es gibt oft sehr plausible Hypothesen, die vielleicht nicht klar zu belegen sind – aber es gibt keine Fälle, die völlig ohne logische Erklärung da stehen." Denn auch bei den nicht gelösten Fällen gebe es Zeugenaussagen oder biologische Spuren. Lydia Benecke beschäftigt sich aus Interesse mit diesen Themen und ist keine Ermittlerin der Polizei, trotzdem weiß sie: "Nur ein winziger Prozentsatz der Vermisstenfälle werden nicht aufgeklärt."
"Die meisten Menschen finden es beunruhigend sich vorzustellen, dass ein Mensch einfach verschwindet."
Und obwohl es wenige ungeklärte Fälle gibt: Sie beschäftigen einige Menschen so sehr, dass sie im Internet alles dazu lesen und sich richtig in die Geschichte hineinstürzen. Die Kriminalpsychologin kann sich vorstellen, woran das liegt: "Ich würde davon ausgehen, dass der Aspekt des Rätselhaften eine Rolle spielt." Allein die Vorstellung, dass ein Mensch einfach so verschwindet, würde das Interesse wecken.
Öffentliches Interesse an Vermisstenfällen kann helfen und gefährlich sein
Grundsätzlich könne es auch hilfreich sein, wenn Vermisstenfälle eine größere Aufmerksamkeit bekommen. Denn so könnten mögliche Zeuginnen und Zeugen aufmerksam gemacht werden und sich zu einer Aussage entscheiden.
Aber es bedeute auch immer, dass viel mehr Leute sich melden, die keine weiterführenden Informationen haben. Eine Flut an Aussagen und Anhaltspunkten, die die Polizei auch unnötig belasten könne.
Auch Spekulationen um einen Fall würden die Ermittlungsarbeiten stören und nicht weiterbringen: "Mit ungeprüften Thesen und Verschwörungsannahmen kann man potentielle Zeugenaussagen auch negativ beeinflussen."
"Manchmal ist weniger mehr: Fakten verbreiten ist gut, Spekulationen zu streuen halte ich für nicht so hilfreich."
In einigen Fällen, die öffentlich diskutiert werden, würden sich auch Menschen zu Wort melden, die wahrsagen oder hellsehen können. Sie bitten die Familien der Vermissten oft darum, mit ihnen sprechen zu dürfen und sich den Ermittlungen anschließen zu können.
Das ist in Deutschland gesetzlich nicht möglich und Lydia Benecke hält diese Zusammenarbeit auch für gefährlich – insbesondere für die Situation der Familien.
Spekulationen können die Arbeit der Polizei behindern
"Familien müssen sich nicht emotional von Scharlatanen manipulieren und verletzten lassen", Menschen, die übernatürliche Fähigkeiten versprechen, würden falsche Hoffnungen der Angehörigen wecken. Außerdem könnten ihre Angaben auch die Arbeit der Polizei behindern. Zum Beispiel, in dem sie falsche Aussagen zu möglichen Täterinnen und Tätern machen, die wiederum andere Menschen beeinflussen.
Wenn wir also aus Interesse alles über ungelöste Vermisstenfälle lesen, sollten wir eines bedenken: Fakten verbreiten ist hilfreich, sich spektakuläre Theorien ausdenken kann aber die Arbeit der Polizei behindern.