Lügen aus SpaßWenn wir Geschichten erfinden
Die Wahrheit ist manchmal öde, deswegen erzählt Jan lieber Geschichten, die er sich ausgedacht hat. Die meisten finden das witzig, sagt er. Sozialpsychologe Philipp Gerlach erklärt, warum viele mit solchen "white lies" kein Problem haben. Grenzen, sagt er, gibt es trotzdem.
Lügen ist keine gute Sache, das steht schon so in der Bibel. Auch unabhängig davon ist es moralisch-gesellschaftlicher Konsens. Doch wenn wir ein bisschen übers Lügen nachdenken, fällt auf: Es gibt schon Lügen, von denen wahrscheinlich jede*r von uns hin und wieder Gebrauch macht: Notlügen zum Beispiel oder auch, wenn wir auf die Frage "Wie geht's?" mit "gut" antworten, obwohl es gar nicht stimmt.
Lügen sind nicht gleich Lügen
Jan sieht das mit der Wahrheit grundsätzlich nicht so eng. Manchmal erzählt er Leuten von einem Bruder, David, den es in Wahrheit nicht gibt. Ein anderes Mal erzählte er, dass er seinen Daumen nicht richtig strecken kann aufgrund einer Sehnenverkürzung. Das löste so viel Bedauern beim Gegenüber aus, dass er es von da an immer wieder erzählte. "Irgendwie finde ich das witzig", sagt Jan.
"Solange ich mir nur über mich etwas ausdenke und das die andere Person nicht affected, finde ich, ist es in Ordnung."
Angefangen damit, die Wahrheit auszuschmücken, hat Jan schon als Kind. Als seine Freunde nicht so begeistert reagierten, nachdem er ihnen erzählt hatte, dass er beim Fußballspiel Bayern gegen Schalke war, fügte er schnell hinzu, dass er eines der Einlaufkinder war, die mit den Spielern aufs Feld durften. Und Zack: Die Freunde waren beeindruckt.
Problem: Wenn das Wohl der anderen betroffen ist
Wenn es nach dem Verständnis des Sozialpsychologen Philipp Gerlach geht, der zum Thema Lügen forscht, fallen Jans Geschichten unter die sogenannten "white lies", höchstens unter "grey lies".
Weiß, grau, schwarz
Denn bei all den Stories kommt niemand zu schaden. Daher sind sie gesellschaftlich akzeptiert oder werden sogar als witzig empfunden. Lügen, mit denen Menschen anderen schaden, sie betrügen oder hinters Licht führen, sind hingegen "black lies".
"Es gibt Leute, die sich in ein positives Licht rücken wollen oder einfach Spaß daran haben, auf einer Party eine andere Identität auszuprobieren."
Außerdem, sagt der Sozialpsychologe, kommt es beim Lügen auch auf den Kontext an. In einem Bewerbungsgespräch beispielsweise wissen beide Seiten, dass sie sich besonders gut darstellen wollen – und bei der einen oder anderen Angabe übertreiben oder sie unter den Tisch fallen lassen. Da sei Lügen sozusagen gesellschaftlicher Konsens.
"Auch 'white lies' können problematisch sein, weil wir, wenn wir lügen, immer unsere Reputation, ein vertrauenswürdiger Mensch zu sein, in die Waagschale werfen."
Wer Lügnern besser auf die Schliche kommen will oder selbst mal ausprobieren will, wie es ist, etwas Ausgedachtes zu erzählen, für die hat Philipp Gerlach folgenden Tipp: Achtet auf die Details! Je kleinteiliger die Geschichte erzählt wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie glaubhaft wirkt. Je weniger Details die Person auf Lager hat, desto höher könnte die Wahrscheinlichkeit sein, dass uns ein Bär aufgebunden wird – hoffentlich ein harmloser.