Folgen einer SARS-CoV-2-InfektionLong Covid: Wenn die Symptome nicht enden wollen
Vor über zwei Jahren hatte Martha Corona. Doch erholt hat sie sich noch nicht, denn Martha hat Long Covid. Seitdem leidet sie unter starken Kopfschmerzen und braucht viele Erholungsphasen. Ihr Wunsch: etwas mehr Empathie im Umgang miteinander.
"Ich mag die Frage, wie es mir geht, überhaupt nicht gerne, weil sie mich immer daran erinnert, dass es mir scheiße geht", sagt Martha. Sie erinnert sich noch gut daran, als sie vor über zwei Jahren leicht erkältet im Bett lag – und an den krassen Cut am nächsten Morgen: Nichts ging mehr, sagt sie.
Dauerschlappheit und dröhnender Kopfschmerz
Erschöpfung, die weit über die gewohnte Alltagsermüdung hinausgeht, extreme Müdigkeit, starke Konzentrationsprobleme, Vergesslichkeit und Wortfindungsstörungen schränken ihre Lebensqualität seitdem dauerhaft ein. Dazu kommen starke Kopfschmerzen, Sehstörungen und Tinnitus.
"Das alles wird abgerundet mit einem dröhnenden, migräneartigen Dauerkopfschmerz – gerne ergänzt um Sehstörungen und Tinnitus."
Martha hatte anfangs die Hoffnung, dass die Beschwerden bald vergehen würden – nach zwei Wochen, einem Monat oder einem Urlaub. Jedes Mal, wenn es ihr etwas besser ging, stürzte sie sich zurück ins Leben – und landete umso härter auf dem Boden der Tatsachen, sagt sie. Nach einem halben Jahr begann sie zu akzeptieren, dass die Beschwerden offenbar bleiben. Und dass es zu viel zusätzliche Kraft kostet, ständig auf Besserung zu hoffen.
Viele Ärzte, wenig Erfolg
Von da an suchte Martha medizinische Hilfe – unter anderem bei Neurologen und Lungenärzten. Sie habe verschiedenste Medikamente ausprobiert, geholfen habe aber leider wenig. Eine offizielle Long-Covid-Diagnose hat Martha bis heute nicht, sagt sie. Doch statt dieser Diagnose nachzujagen, fokussiere sie ihre begrenzte Kraft lieber darauf, ihr Leben zu bewältigen und Rechnungen zu bezahlen.
"Wir haben es mit einer neuen Krankheit zu tun, für die wir noch keine adäquate Infrastruktur haben."
Carmen Scheibenbogen ist Leiterin des Fatigue Centrums und der Immundefekt-Ambulanz an der Charité in Berlin. Ihr Schwerpunkt sind postinfektiöse Erkrankungen. Das Problem mit den langen Wartezeiten auf die Long-Covid-Diagnose ist ihr bestens bekannt.
Personalmangel, knappe Kassen und fehlende Medikamente
Die Versorgung der Betroffenen sei eine enorme Herausforderung. Es handelt sich um eine neue Krankheit, die viele Patient*innen betreffe. Gleichzeitig sei die Infrastruktur zur Behandlung von Long Covid nicht ausreichend. Das Gesundheitssystem leide an Personalmangel und begrenzten Ressourcen, so die Medizinerin. Auf allen Ebenen brauche es ein Mehr an Mitteln und Forschungsarbeit.
Long Covid kann zwar klar diagnostiziert werden, allerdings ist das aufgrund zahlreicher Untersuchungen und Tests aufwendig, sagt Carmen Scheibenbogen. Es sei eine Erkrankung mit vielfältigen Symptomen, die auch bei anderen Erkrankungen auftreten können. Bei besserer Versorgungslage können Symptome wie Schlafstörungen, Schmerzen oder Kreislaufprobleme medizinisch behandelt werden, so die Ärztin.
"Was wir ganz dringend brauchen, sind Medikamente, die die Erkrankung wirklich ursächlich behandeln können."
Was jedoch die ursächliche Behandlung von Long Covid betreffe, so brauche es dringend Medikamente. Klinische Studien seien teuer und aufwendig, und die pharmazeutische Industrie habe lange Zeit wenig Interesse gezeigt. Es dauert oft zwei bis drei Jahre, bis ein Medikament zugelassen wird, weshalb aktuell keine schnelle Lösung in Sicht ist, meint Carmen Scheibenbogen.
Long-Covid-Medikament: Eine Studie macht Hoffnung
In vielen Fällen heile Long Covid nach drei Monaten aus. Doch ein Teil der Long-Covid-Patienten ist auch nach vier Jahren noch schwer erkrankt, was die Dringlichkeit auf wirksame Therapien verstärke. Ein vielversprechender Mechanismus seien Autoantikörper, die sich ursprünglich gegen das Virus richten, dann aber auch gegen körpereigene Strukturen. Daten würden belegen, dass die Krankheit bei einigen Betroffenen durch diese Autoantikörper verursacht wird.
"Autoantikörper, die wir ursprünglich gegen das Virus bilden, richten sich dann auch gegen körpereigene Strukturen. Wir haben Daten, dass diese bei einem Teil der Betroffenen krankheitsverursachend sind."
Eine erste klinische Studie mit einer Therapie, die bei anderen Autoantikörper-Erkrankungen bereits zugelassen ist, habe bei vielen Betroffenen schnelle Verbesserungen gezeigt. "Wenn die Wirksamkeit bestätigt wird, könnten entsprechende Medikamente für Post-Covid 2026 zugelassen werden", sagt die Medizinerin.
Über ihre Erfahrungen mit Long Covid hat Martha ein Buch geschrieben: "Konsequent 60 Prozent". Darin zeigt sie unter anderem, wie sie auch mit weniger Kraft viel schaffen kann. Und doch hat ihre Kraft klare Grenzen: "Leute sehen mich dann auf einer Veranstaltung, dass ich fröhlich bin und energiegeladen rüberkomme, aber die sehen nicht, dass ich danach drei Tage im Bett liege und leide", sagt sie.
Mehr Empathie und Rücksicht
An einem guten Tag arbeitet Martha maximal sechs Stunden, verteilt über den ganzen Tag. Sie schafft etwa zwei Stunden am Stück, muss sich danach aber hinlegen und je nach Tagesform drei bis vier Stunden schlafen, bevor sie erneut arbeiten kann, sagt sie. Martha war immer ein sehr aktiver Mensch voller Tatendrang, sagt sie. Doch täglich müsse sie jetzt lernen, sich in Geduld zu üben und ihre körperlichen Grenzen zu achten.
Long Covid hat Marthas Blick auf die Arbeit verändert, sagt sie. Sie habe lernen müssen, häufiger Nein zu sagen und auf ihre Energieressourcen zu achten. Jetzt priorisiere sie auf einem Niveau, das sie niemandem wünscht – etwa, ob sie diese Woche einkaufen, Haare waschen oder duschen kann.
"Mein Wunsch: Dass wir mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer Leute nehmen und empathischer sind, aber vor allem auch gnädiger und freundlicher zu uns selbst."
Trotz harter Arbeit würden Menschen sich oft schuldig und ungenügend fühlen. Martha hat gelernt, netter zu sich selbst zu sein, da sie ihre begrenzte Energie nicht auch noch für Selbstvorwürfe verschwenden kann, sagt sie. Etwas mehr Rücksicht und Empathie wünscht sie sich auch von anderen – den Mitmenschen aber auch sich selbst gegenüber.