Seenotretter SOS Mediterranée"Wir arbeiten nicht auf der Basis von Drohungen."
Nach Einschüchterungen aus Libyen ziehen sich einige Hilfsorganisationen zurück. Doch die Aquarius bleibt im Einsatz. Auch wenn die Lage in Libyen alles andere als friedlich ist.
Die Situation vor Libyens Küste hat sich verändert: Seit dem Wochenende kreuzen dort weniger Seenotretter im Mittelmeer als zuvor. Ärzte ohne Grenzen etwa haben ihren Einsatz gestoppt - weil sie befürchten, gerettete Flüchtlinge der libyschen Küstenwache übergeben zu müssen. Als Grund nannten sie außerdem Drohungen der libyschen Behörden. Die wollen eine Sperrzone rund um die Küste einrichten, die auch in internationale Gewässer reicht.
Weiterhin im Einsatz ist aber die Aquarius, mit Rettern der Hilfsorganisation SOS Mediterranée: "Wir beobachten die Lage im Mittelmeer und in Libyen sehr genau", sagt Sprecherin Verena Papke. Die Situation ändere sich laufend. "Es gibt immer ein Risiko, aber derzeit gehen wir davon aus, dass wir unseren Einsatz fortsetzen können".
Auf Kurs bleiben
Natürlich entscheide jede der Hilfsorganisationen selbst, was für sie richtig sei. "Wir waren gestern das einzige Rettungsschiff, das noch in internationalen Gewässern patrouilliert ist", sagt Papke. Auf der Basis von Drohungen arbeite man nicht.
"Die Sicherheit unserer Crew hat oberste Priorität."
Zwischenfälle mit der libyschen Küstenwache hat es in der Vergangenheit bereits mehrfach gegeben, erklärt Papke. Bei einem Einsatz etwa wurden Schüsse in die Luft abgefeuert. Die Küstenwache habe außerdem ein anderes Rettungsschiff, die Seawatch, geschnitten und in Gefahr gebracht: "Daran sieht man, dass die libysche Küstenwache kein Partner für Staaten oder NGO sein kann."
"Wir sind froh, dass wir uns weiterhin auf unsere Arbeit und unseren Einsatz konzentrieren können - und vor allem Menschen nicht zurück nach Libyen bringen müssen."
Die Lage in Libyen ist für die Flüchtlinge nicht zumutbar, meint Papke. Die Menschen, die sie retten, berichten von furchtbaren Dingen: Die Frauen in den Lagern würden "mehr oder weniger alle vergewaltigt". Es gebe kaum zu essen. "Das sind Zustände, die können wir uns in Europa nicht vorstellen."
In Libyen regiert das Chaos
Libyen ist vom jahrelangen Bürgerkrieg zerrüttet und die international anerkannte Regierung des Landes in Tripolis unter Fajis al-Sarradsch hat keine Macht im Land. "Tripolis selbst wird von ungefähr 30 verschiedenen Milizen beherrscht", sagt unser Korrespondent Björn Blaschke.
"Die Milizen sind das, was Libyen tatsächlich beherrscht."
Im gesamten Land gebe es Hunderte Milizen, sie unterstehen einem Clan oder einer Ideologie, also Islamisten, Salafisten oder Al-Kaida. "Für Ruhe kann man nur sorgen, wenn man den Banden und Milizen Einhalt gebietet."
10-Punkte-Plan zwischen EU und Libyen
Die EU hatte im Februar einen Zehn-Punkte-Plan mit Libyen vereinbart und will so Flüchtlinge von der Fahrt über das Mittelmeer nach Europa abhalten. Libyens Küstenwache wird dafür von der EU unterstützt. Vielleicht zeigt diese Maßnahme nun schon Wirkung: Verena Papke berichtet, dass in den vergangenen Wochen weniger Flüchtlingsboote in internationalen Gewässern angekommen seien. "Wir gehen davon aus, dass sich die libysche Küstenwache vermehrt engagiert."
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